Das lange Warten auf leistbares Wohnen
Die Lücken im sozialen Wohnbau werden immer größer: Die steigende Zahl von Alleinerzieherinnen lässt den Bedarf in die Höhe schnellen.
Innsbruck –Sandra S. hat sich gerade von ihrem Lebenspartner getrennt, das gemeinsame Kind ist ein Jahr alt. Jetzt sucht sie eine Wohnung. Findet aber nichts, weil ihr das Geld für die Miete fehlt: Als Sekretärin verdient sie in Teilzeit 800 Euro, vom Ex-Partner bekommt sie 200 Euro, die Kinderbetreuung in der Krippe kostet halbtags 220 Euro. Inklusive Kinderbeihilfe stehen ihr monatlich 900 Euro zum Leben zur Verfügung – zu wenig, um sich eine reguläre Miete am freien Markt leisten zu können. Als sie bei ihrer Heimatgemeinde zwecks Sozialwohnung anfragte, bekam sie zu hören: Ja, es gebe Wohnungen, aber erst wieder in zwei bis drei Jahren. Jetzt steht Sandra S. auf der Warteliste. In der aktuellen Lebenslage nützt ihr das wenig.
Damit ist sie nicht alleine. In ganz Tirol sind die Wartelisten der Gemeinden mit Wohnungssuchenden voll. Selbst im fernen Lienz, wo die Wohnungen günstiger sind als in vielen Teilen Tirols, warten 300 Menschen auf eine Mietwohnung. Tendenz steigend, „weil immer mehr Junge ihre eigenen vier Wände möchten und die Zahl der Alleinerzieher steigt“, heißt es vom Wohnungsamt der Stadtgemeinde Lienz. Auch hier gilt eine Wartezeit von ein bis zwei Jahren. In Kufstein, immerhin der zweitgrößten Stadt Tirols, sind derzeit rund 600 Wohnungssuchende gemeldet. Die Zahl ist in den vergangenen Jahren gleich geblieben. Die Stadt hat das Vergaberecht bei verschiedenen Wohnbaugesellschaften. In Imst, sagt die dortige Wohnungsreferentin Doris Reheis, sei die Tendenz von Ansuchen aus den Tälern rund um Imst steigend. 260 Ansuchen gibt es dort derzeit.
In Kitzbühel warten 170 auf eine Wohnung – die Wartezeit auch hier: ein bis zwei Jahre. Mehr als 2000 Menschen warten derzeit in Innsbruck auf eine städtische oder gemeinnützige Wohnung. Trotz Bauoffensive voriger Jahre. Und: Sozialwohnungen in Innsbruck mögen zwar von den Mietpreisen weit unter jenen am freien Wohnungsmarkt liegen, aber auch hier werden Wohnkosten im Vergleich zu Lohn und Inflation schneller steigen. Nicht umsonst haben zuletzt die Innsbrucker Immobiliengesellschaften (IIG) Richtung Stadtsenat signalisiert, dass sich eine Mietzinsreduktion bei Neuvermietungen schlicht nicht ausgeht. Offen ist, ob die Richtlinien für sozialen Wohnbau gelockert werden, um diesen lukrativer zu machen.
Auf das Land auszuweichen, ist für Betroffene jedenfalls keine Alternative. Nicht nur, weil auch dort die Wartelisten voll sind. Nicht weniger problematisch ist nämlich die Tatsache, dass es in den meisten Gemeinden erst dann Mietzinsbeihilfe gibt, wenn man drei Jahre gemeldet war. Dass für Alleinerzieherinnen mit wenig Geld die Wohnungssuche damit oft zur Tortur wird, spüren als letztes Glied in der Kette Sozialeinrichtungen wie das Innsbrucker Dowas (Durchgangsort für wohnungs- und arbeitssuchende Frauen): „Diese Frauen können sich die Preise am freien Wohnungsmarkt nicht leisten. Sie sind davon abhängig, eine günstige Sozialwohnung zu bekommen“, sagt die Sozialarbeiterin Karin Bröckl. (lipi, TT)