Nach Platter-Vorstoß: Direktoren auf den Barrikaden
AHS-Direktoren contra Günther Platter: Sein Vorstoß für eine Gesamtschule sorgt nun für scharfe Kritik. In einem Brief macht der Verein der Direktoren seiner Empörung Luft.
Von Michaela Spirk-Paulmichl
und Katharina Zierl
Innsbruck –„Mit Fassungslosigkeit entnehmen wir den Medien, dass Sie die Einführung einer Gesamtschule für die fünfte bis achte Schulstufe favorisieren, mit deren Einführung die AHS-Unterstufe obsolet würde.“ In dem Schrei- ben an Landeshauptmann Platter nimmt sich der Verein der Direktorinnen und Direktoren der allgemeinbildenden höheren Schulen in Tirol kein Blatt vor den Mund. Die Ansage verunsichere nicht nur Direktoren, sondern auch Lehrer, Schüler und Eltern, heißt es darin. „Die AHS-Unterstufe ist – sofern sie nicht weiter ausgehungert wird – ein Garant für ganzheitliche Bildung auf hohem Anspruchsniveau.“ Die angedachte Auflassung der Vielfalt zugunsten einer staatlichen Einheitsschule sei ein Irrweg.
„Wir brauchen sinnvolle Angebote, nicht nur Schlagworte“, sagt Gerlinde Christandl, Sprecherin der AHS-Direktoren in Tirol. „Wir AHS-Direktoren sind gerne bereit, die ,Baustellen‘ unseres Bildungssystems zu benennen und Lösungsvorschläge zu machen.“ Ein Verzicht auf die AHS-Unterstufe zugunsten einer Gesamtschule löse jedoch keine Probleme, sondern schaffe ungleich größere. Auch dürfe es kein Stückwerk geben: „Wir können uns sehr wohl zusammensetzen, aber dann muss vom Kindergarten bis zur Matura alles durchdacht werden.“ Sollte es wirklich Klassen geben mit Schülern mit schwerer Behinderung bis zum Hochbegabten, dann seien zwei Lehrer wie jetzt in den Mittelschulen noch zu wenig. „Dann brauchen wir mindestens vier.“ Sonst komme es automatisch zu einer Nivellierung nach unten. Dass nur Kinder aus bildungsnahen Familien den Weg ins Gymnasium finden, sei nicht richtig: „Von unseren 670 Schülern sind nicht einmal zehn Prozent der Eltern Akademiker“, sagt die Direktorin des Gymnasiums in Kufstein.
Auch das von Platters Büro verfasste Antwortschreiben stößt den Direktoren auf: „Da seit Jahrzehnten in der Schulfrage Stillstand herrscht, war es Herrn Landeshauptmann wichtig, mit seinen Ausführungen über die Einführung einer gemeinsamen Schule wieder Bewegung in die Bildungsdebatte zu bringen“, heißt es etwa darin. Christandl will das nicht so stehen lassen: „Das stimmt einfach nicht, man denke nur an die Zentralmatura.“
Max Gnigler, Direktor des Reithmanngymnasiums in Innsbruck, findet den Vorstoß für die Gesamtschule „höchst bedenklich“. Es gebe zwar viele Argumente, die für eine gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen sprechen, aber auch viele dagegen. „Unter dem Strich ist eine Beibehaltung der Vielfalt zielführend.“ Außerdem könne man nicht einmal im Ansatz abschätzen, welche organisatorischen Änderungen eine Umstellung mit sich brächte.
Margret Fessler, pädagogische Leiterin des Gymnasiums in der Au in Innsbruck, kritisiert, dass die aktuelle Diskussion keine inhaltliche sei, sondern eher ein Glaubenskampf. „Das Kind und seine Probleme gehen dabei unter.“ Ihr Wunsch: „Gebt uns mehr Befugnisse und mehr Geld und lasst uns arbeiten.“
Für Johann Fellner, Direktor des Gymnasiums Wörgl, steht fest, dass Schüler auch weiterhin differenziert gefördert werden müssen: „Jeder hat andere Begabungen, und darauf muss Rücksicht genommen werden.“ Wie ein Haus brauche eben auch das Bildungssystem bestimmte Säulen. Mit der Unterstufe würde laut Fellner eine der essenziellen Säulen wegbrechen. Hauptschüler, die in der fünften Klasse ins Gymnasium einsteigen, würden sich „einfach schwerer tun“. „Nur die Unterstufe ist darauf ausgerichtet, die Matura in acht Jahren zu machen.“ Es sei ein Irrtum zu glauben, dass in einer heterogenen Gruppe alle gleich gut gefördert würden: „Eher ist ein Leistungsabfall zu befürchten, wenn alle in einen Topf geworfen werden.“ Allein auf Grund der begrenzten budgetären Mittel könne man eine qualitativ hochwertige Förderung der einzelnen Talente nicht mehr gewährleisten. „Das Geld, um in jeder Klasse mehr Lehrpersonal einzusetzen, fehlt.“
Ähnlich schätzt Karl Digruber, Direktor des Gymnasiums Imst und Vorsitzender der Tiroler AHS-Gewerkschaft, die Lage ein: „Ich bin ein Verfechter des differenzierten Schulsystems. Wenn diverse Politiker von Stillstand im Bildungssystem reden, kann ich das nicht nachvollziehen.“ Vielmehr handelt es sich um eine bewährte Form der Förderung. Natürlich kämen Begriffe wie „Gemeinschaft und Ende der Ausgrenzung“ gut an. Die Realität schaue aber anders aus. „Dass die soziale Ausgrenzung bei einer gemeinsamen Schule für alle abnimmt, ist ein Wunschtraum. Man kann ja nicht generell sagen, dass die Stärkeren den Schwächeren helfen.“ Der Lehrergewerkschafter verstehe überhaupt nicht, „warum Platter den Gesamtschul-Ballon steigen lässt“. Das sei kontraproduktiv und würde der Diskussion um das Bildungssystem nur schaden.