Ruf nach Trachtenpärchen
Arbeit und Wirtschaft sollten gemeinsam auftreten und im Landtag stärker vertreten sein, meint Wirtschaftskammer-Chef Bodenseer. An seiner Landesrätin hält er fest.
Es war nicht möglich, Sie und AK-Präsident Zangerl an einen Tisch zu bekommen, weil Letzterer keinen Termin fand. Was sagt das über die Sozialpartnerschaft aus?
Jürgen Bodenseer: Es gibt immer wieder ein mediales Donnergrollen auf beiden Seiten. Aber wir haben am Montag gerade das nächste Treffen der Sozialpartnerschaft. Ich halte eigentlich nichts von den Hahnenkämpfen, die da stattfinden. Ich hätte es lieber, wenn man Wirtschaft und Arbeit als eines sähe.
Der Chef der Industriellenvereinigung, Reinhard Schretter, hat gemeint, die Sozialpartnerschaft sei tot. Hat sich seit diesem Befund vor einem Jahr viel getan?
Bodenseer: Wir treffen uns zumindest wieder regelmäßig.
Die Sozialpartnerschaft in Österreich schlüpft in die Rolle eines Schattenkabinetts. Warum ist man davon in Tirol so weit entfernt?
Bodenseer: Das liegt daran, dass arbeitspolitische und Wirtschaftsthemen eher bundespolitische Themen sind und nicht die der Landtage.
Beim Dauerthema Einkommen ist die Sozialpartnerschaft eigentlich einflussreicher als die Politik, oder?
Bodenseer: Mich wundert es, dass die Arbeiterkammer sich nicht gegen die kalte Progression wehrt. In den letzten Jahren hat die Wirtschaft die Löhne angepasst und ihren Beitrag geleistet. Dieser wird von den Lohnnebenkosten und der Steuer aufgefressen. Es muss mehr in den Taschen vor allem der Niedriglohnempfänger bleiben.
Wenn man Stellenanzeigen liest, erschrickt man, wie wenig für Posten gezahlt wird.
Bodenseer: Es ist furchtbar, wenn man zu einer guten Position den kollektivvertraglichen Mindestlohn dazuschreiben muss. Das schreckt gute Leute ab, die bewerben sich erst gar nicht. Ich glaube allerdings nicht, dass man das wieder abschaffen wird.
Gibt es Ihrer Meinung nach ein Auskommen mit dem Einkommen?
Bodenseer: Ich glaube, dass es in Tirol aufgrund der hohen Wohnungskosten und des Tourismus schwieriger ist, auszukommen, als in anderen Bundesländern.
Die Adlerrunde, ein Verband namhafter Unternehmer, vermisst die Wirtschaftsgesinnung im Land. Sehen Sie das auch so?
Bodenseer: Die Leute sehen vielleicht zu wenig, dass Unternehmer viel vom verdienten Geld wieder investieren müssen. Ich glaube, es liegt mehr an der fehlenden Kommunikation. Wir müssen mehr miteinander reden. Da hat die Adlerrunde Recht und deshalb haben wir einen Wirtschaftsdialog installiert.
Viel Kritik von der Adlerrunde musste Wirtschaftslandesrätin Zoller-Frischauf einstecken. Halten Sie an Ihrer Landesrätin fest?
Bodenseer: Das war ein Missverständnis und wurde ausgeräumt. Es ist auf jeden Fall wertvoll, wenn sich gute Unternehmer einbringen. Ich rate dem Landeshauptmann, eine Regierungsumbildung vor der Landtagswahl zu vermeiden. Gerüchte über die Landesrätin, dass sie ausscheiden könnte, sind Gerüchte.
Wie zufrieden sind Sie denn mit der Landesregierung?
Bodenseer: Ich höre wahre Horrorgeschichten, wie schwer Betriebsansiedelungen in Bayern und Südtirol zu realisieren sind. Da stehen wir mit wenig Bürokratie und kurzen Verfahren gut da.
Das beantwortet die Frage nicht.
Bodenseer: Bei näherer Betrachtung passiert schon einiges. Landeshauptmann Platter hat die heißen Kartoffeln Agrargemeinschaften und Gesamtschule aufgegriffen. Bei den Wasserkraftwerken wird sicher schon zu lange geredet.
Sie haben gemeint, der Wirtschaftsbund gehörte eigenständiger, abgekoppelter von der VP Tirol dargestellt. Warum?
Bodenseer: Ich wünsche mir, dass das Trachtenpärchen Arbeit und Wirtschaft gehört wird und sich das personell in den Gremien niederschlägt.
Sie spielen auf den Landtag an, wo Sie als Präsident der Wirtschaftskammer aufgrund des VP-Statuts nicht sitzen können.
Bodenseer: Der Landtag sollte ein guter Durchschnitt der Bevölkerung sein. Dort sollten Arbeiter, Unternehmer, Ärzte, Künstler und Kulturschaffende usw. usf. sitzen.
Parteichef Platter hat bereits erklärt, das Statut nicht ändern zu wollen. Nehmen Sie ihm das übel?
Bodenseer: Mit Ausschlusskriterien ist man nicht gut beraten. Der Traum, im Landtag zu sitzen, ist meinerseits ausgeträumt.
Wie ist Ihr Befund zur Partei? Wie gut steht die ÖVP da?
Bodenseer: In Tirol steht die ÖVP im Vergleich zum Bund ganz gut da. Wenn ich die Konkurrenz betrachte, gibt es keine Shootingstars. Das größte Problem ist die Tendenz zum Nichtwählen. Wird die größer, haben wir ein demokratiepolitisches Problem.
Denken wir in Richtung Landtagswahl. Wäre für die Wirtschaft Schwarz-Grün denkbar?
Bodenseer: Die Parteien haben sich, mit Ausnahme der FPÖ, immer mehr Richtung Mitte bewegt. Die Unterscheidungsmöglichkeit ist geringer geworden, dadurch wächst der Zuspruch zu Radikalismen. Die etablierten Parteien sollten sich mehr auf ihre Kerngruppen konzentrieren, dann wird es wieder greifbarer für den Wähler.
Was wäre Ihre Wunschkoalition?
Bodenseer: Lassen wir zuerst einmal die Wähler wählen.
Das Gespräch führte Anita Heubacher