Odysseus auf der Veteranen-Couch
Mit „Il ritorno d’Ulisse“ setzt das Theater an der Wien seinen Monteverdi-Zyklus solide, aber nicht aufregend fort.
Von Stefan Musil
Wien –Am Ende ist es die Beschreibung der Decke des Ehebetts – sie zeigt Diana und Gefolge –, die den Erfolg der Paar-Therapeutinnen perfekt macht. Die beiden Psychologinnen geben sich gratulierend die Hand und verlassen den Raum. Zurück bleiben Odysseus und seine Penelope, endlich wieder vereint, um nach jahrzehntelanger Pause den Neustart ihrer Ehe zu wagen. Erst das Geheimnis, das nur ihr Mann wissen kann, lässt Penelope glauben, dass sie ihren Odysseus tatsächlich vor sich hat. Nun ja.
Der Regisseur Claus Guth hat seinen Monteverdi-Zyklus für das Theater an der Wien nach dem „Orfeo“ jetzt mit „Il ritorno d’Ulisse in patria“ weitergeführt. Und natürlich hat Penelope dabei ihren Gatten nicht erst nach der Bettdeckengeschichte erkannt, sondern schon davor. Aber jetzt erst ist sie bereit, auf ihn zuzugehen. Denn in Claus Guths Sicht ist Odysseus schon längst in der Heimat angekommen. Als schwer traumatisierter Kriegsveteran geistert er durchs Haus, physisch vorhanden, aber in seiner Gedankenwelt noch ganz im Grauen des Krieges gefangen. Ort des Ganzen ist vermutlich ein großes herrschaftliches Anwesen in den USA (Bühne: Christian Schmidt) oder auch eine noble Therapieeinrichtung, samt eleganter Bar, an der sich die um Penelope buhlenden Freier tummeln, bis sie der Kriegsveteran in einem Amoklauf mit seiner Pistole niederballert – und damit es auch jeder versteht, werden dazu seine dunklen Gedanken als schattenrissartige Kriegsbilder projiziert.
Und die Götter? Die geistern als seltsame Außerirdische und natürlich als Fantasieprojektion des gestörten Titelhelden durch die Geschichte oder stehen, je nach Bedarf, etwa im Falle von Minerva, als Psychologin dem armen Krieger zur Seite.
Guth hat Monteverdis Oper geschickt und ganz in seiner gewohnten Manier auf die Grundidee des schwer traumatisierten Kriegsheimkehrers unserer Tage zurechtgebogen, rationalisiert und psychologisch durchdekliniert: drei recht trockene Trauma-Therapiestunden zu Monteverdis Musik, die trotz der Verlegung in die aktuelle Gegenwart nicht sonderlich an Herz und Seele greifen. Das mag ebenso ein wenig an den Sängern liegen, auch wenn die Aufführung insgesamt konstanter besetzt ist als der „Orfeo“ im letzten Dezember. Delphine Galou ist eine anmutige Penelope mit einem kultiviert geführten Alt, der allerdings zu blass und eindimensional klingt, um ihrer Figur auch stimmlich die entsprechende Kontur zu geben. Bariton Garry Magee spielt mit großem Einsatz den leidenden Titelhelden. Kernig, kraftvoll, manchmal an Höhengrenzen stoßend, liefert er eine sehr respektable Leistung ab, weiß aber ebenso wenig alle musikalischen Dimensionen der Partie auszuloten.
Ein kurzes, beeindruckendes Kabinettstück liefert dagegen Jörg Schneider in seiner Szene als Schmarotzer Iro ab, die für Momente das Potenzial Monteverdis aufblitzen lässt. Aus dem Graben versorgen Christophe Rousset und die Musiker von „Les Talens Lyrique“ geschmackvoll mit zart sinnlichem Monteverdi-Klang den Abend, der vom Publikum wohlwollend und ohne Proteste aufgenommen wurde.