Forscher komponieren die „Gefühlssymphonie“
Australische Forscher versuchen, Gefühle in Töne umzuwandeln, um beispielsweise autistischen Patienten zu helfen.
Sydney – Wie auf der Intensivstation ist Ben Schultz mit unzähligen Kabeln an Monitore angeschlossen. Eine Nadel im Bein des 27-jährigen Australiers ist mit einem Mikrofon verbunden. Aus einem kleinen Lautsprecher in der Ecke des Labors kommt ein knisterndes Geräusch. „Das ist der Ton, den der Nerv erzeugt“, erklärt die kanadische Sängerin Erin Gee, die an dem Experiment beteiligt ist. „Das ist die Übertragung dessen, was auf elektrischer Ebene passiert.“ Australische Forscher versuchen so, Gefühle in Töne umzuwandeln, um beispielsweise autistischen Patienten zu helfen.
Der Neurophysiologe Vaughan Macefield beobachtet jedes Mal, wenn Ben Schultz in der medizinischen Fakultät der Universität von Western Sydney auf ein gewalttätiges oder erotisches Bild mit einer Emotion reagiert, die Kurven, die sich dann auf den Bildschirmen zeigen. Es sind die Signale, die das Gehirn von Schultz aussendet und die dann von Musikern wie Erin Gee in Klänge übertragen werden.
„Gefühlsinformatik“ zur Messung der Dichte von Gefühlen
Das Experiment gehört zum Bereich der „Gefühlsinformatik“, mit der Maschinen Gefühle aufspüren, deuten und darauf antworten. Wenn diese Emotionen dann auf einen Bildschirm übertragen werden oder ein Geräusch daraus entsteht, kann das einigen Patienten helfen. „Indem ihre eigenen Gefühle verstärkt werden, können die Menschen sie besser verstehen“, erläutert Macefield.
Für ihr Experiment haben die Experten Schauspieler wie Schultz ausgewählt, die auf Knopfdruck Gefühle zeigen können.Die Instrumente erfassen nicht nur die Aktivität der Nerven, sondern auch den Blutdruck, die Atmung, den Schweiß und den Herzschlag. Alles wird auf einem Computer gespeichert wie auf dem Mischpult eines Tonstudios. Eine besondere Software verwandelt dann die verschiedenen Elemente in einen klirrenden Chor aus Glocken, der beispielsweise den Klang des Glücks wiedergibt.
Am Ende der Stunde haben die Experten genug Material zusammen, um auf elektronischem Weg aus den Emotionen von Ben Schultzeine „Gefühlssymphonie“ zu komponieren. „Man kann nicht in den Gedanken von Ben lesen und sagen, warum er etwas fühlt“, sagt die Komponistin Gee. „Aber jetzt gibt es technische Mittel, um zu zeigen, dass er Gefühle hat und die Dichte dieser Gefühle zu messen“, ergänzt die Musikerin, die im kommenden Jahr im kanadischen Montreal erstmals eine „Gefühlssymphonie“ aufführen will. (APA)