Stubaital droht Verwaldung und Zersiedelung

Über die zu erwartende Veränderung der Landschaft im Stubaital diskutierten am Freitagabend Politiker und Experten in Neustift.

Von Thomas Buchner

Neustift –„Wenn es so weitergeht, dann haben wir in Zukunft auf jeden Fall mehr Wald, weniger Bauern und steigende Bevölkerungszahlen“, traut sich Historiker Gerhard Siegl von der Uni Innsbruck eine Prognose für die landschaftliche Zukunft des Stubaitales abzugeben. Bei der Podiumsdiskussion anlässlich der Studienpräsentation diskutierten mit ihm Ökologin Ulrike Tappeiner, Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle und LHStv. Anton Steixner über den Wandel und die Zukunft der Kulturlandschaft im Stubaital.

Besonders seit den 1950er-Jahren wurden im Stubaital zwei Drittel der Weidefläche aufgelassen. Die Folge davon: um einiges mehr an Wald, der nicht nur, wie eine Umfrage im Rahmen der Studie ergab, aus ästhetischen Gründen von den Wissenschaftern negativ bewertet wurde. „Entscheidend ist die Vielfalt einer Kulturlandschaft und die ist bei zunehmender Verwaldung nicht mehr gegeben“, hob Tappeiner den ökologischen Aspekt des Auflassens von Weideflächen hervor.

Dass damit mehr Grünflächen für Wohn- und Gewerbegebiet zu Verfügung stehen, spielt dem steigenden Flächenbedarf durch die Bevölkerungszunahme im Stubaital in die Hände. Die Folge: Die Gebiete an den Ortsrändern werden nur lose verbaut, dadurch breiten sich Siedlungen über den gesamten Talboden aus.

Hier seien vor allem die Gemeinden und die Raumplaner gefragt. „Flächen sollten sparsam und schonend zur Bebauung ausgewiesen werden“, forderte etwa Töchterle von der Gemeinde- und Landespolitik ein. Auch Steixner fürchtet durch die zunehmende Besiedlung des Tals einen Verlust an Attraktivität. Um mehr Freiflächen zu bewahren, schlägt er vor, „besser schlechte Wälder als gute Wiesen zur Bebauung freizugeben“.

Dass die Politik die Kulturlandschaft stark beeinflussen kann, zeigt ein Blick nach Südtirol: Dort ist aufgrund strengerer Raumordnungsgesetze das Problem der Zersiedelung weit weniger stark ausgeprägt. „Bauern, Tourismus, Konsumenten und die Politik, also wir alle, werden die Landschaft der Zukunft gestalten, die Frage ist aber, wer in welchem Ausmaß“, bringt Siegl die zukünftige Herausforderung auf den Punkt.

Wie sich aber Bevölkerung und Touristen die Zukunft der Kulturlandschaft wünschen? „Ein einheitliches Wunschbild gibt es nicht“, fasst Tappeiner die Umfrageergebnisse zusammen. Aber Siedlungsflächen und intensive Nutzung, wie etwa Obstbau, wurden von den meisten Befragten als negativ bewertet.

Die Studie der Uni Innsbruck und der Europäischen Akademie Bozen, geleitet von Erich Tasser vom Institut für Alpine Umwelt, dauerte insgesamt drei Jahre. Töchterle hofft, dass die Universitäten in Nord- und Südtirol durch diese Studie weiterhin führend in den Bereichen Landschaft und Klima bleiben und dass „die Studie der Politik auch als Entscheidungsgrundlage dienen wird“.

Eine Ausstellung zu dem Thema begleitet die Podiumsdiskussion. Sie ist noch heute und morgen Dienstag von 13 bis 20 Uhr im Freizeitzentrum Neustift zu besichtigen.