Tiroler Gröstl ohne Heu-Dings
Der Verein Tiroler Wirtshauskultur ist 20. Geschäftsführer Peter Weigand und Wirt Hans Knapp über neue alte Esskultur, die Pommes-Toleranz und die Resistenz des Stammtisches.
Volders –Dem Untergang der heimischen Esskultur in der „flachen Tourismusküche“ stellte sich 1992 der Verein „Tiroler Wirtshauskultur“ entgegen. Strikte Kriterien für das echt Tirolerische sollten das Gasthaus und die Gastlichkeit erhalten. Zum 20-Jahr-Jubiläum sprach die TT bei Jagawirt Hans Knapp in Volders mit Geschäftsführer Peter Weigand über Neuinterpretationen, Nachwuchssorgen und Heu am Teller.
Sie haben aktuell 130 Mitgliedsbetriebe?
Peter Weigand: Es sind 125, wir haben heuer einige Pensionierungen und von zwei Betrieben mussten wir uns trennen.
Warum?
Weigand: Sie haben in puncto Gastlichkeit und Sauberkeit die Kriterien nicht erfüllt.
Welche sind das?
Weigand: Es ist ein ganzer Katalog. Im Wesentlichen geht es um Gastlichkeit, Ambiente – eine Tiroler Note, aber keine Jodelgeschichte – und die Speisekarte. Ein absolutes No-go ist Pizza, es soll auch keine Wok-Gerichte geben. Ursprünglich stand sogar drin: keine Pommes. Aber das war nicht praktikabel. Man kann auch in Schönheit sterben! Bei den Getränken sollte zumindest ein österreichisches Bier drauf sein.
Was sind No-gos bei der Einrichtung?
Weigand: Wir wollen keine Show-Wirtshäuser, sondern Bodenständigkeit. Wenn der Wirt übertreibt und alles in einem „Heu-Dings“ serviert, sagen wir: Konzentrier dich auf das Wesentliche! Ein Thema sind auch die Garnituren: Was hat der Kiwi auf dem Gulasch verloren? Viel bekrittelt wird das Radio: Muss ich beim Essen fünfmal vom Kampusch-Schicksal hören?
Sie setzen auf „Regionalität und Saisonalität“?
Weigand: Ja. Seit einigen Jahren gibt es das AMA-Gastrosiegel, um auch die regionale Herkunft der Lebensmittel sicherzustellen, ca. 100 Betriebe sind dabei. Es wird geschaut, dass zumindest Rindfleisch und Eier aus Österreich kommen, Milchprodukte möglichst aus Tirol, Gemüse aus der Umgebung. Die Jahreszeiten zelebrieren wir mit drei Kulinarien: dem Almsommer mit Milchprodukten und Pilzen, dem Erntedank-Herbst mit Kürbis, Zwetschken und Wild und dem Frühlingserwachen mit Berglamm, frischem Gemüse, Sauerampfer, Bärlauch, frischem Fisch.
Was ist mit dem viel diskutierten Krug Gratiswasser?
Weigand: Wir empfehlen, dass man ihn als Zeichen der Gastfreundschaft herstellt.
Hans Knapp: Wenn jemand Wein trinkt, gehört die Karaffe Wasser selbstverständlich dazu.
Wie geht das mit dem Tiroler Wirtshaus, wenn das Personal aber aus der Slowakei und aus Ostdeutschland kommt?
Weigand: Wir haben viele Familienbetriebe, aber man braucht Mitarbeiter. Wenn das Personal gut geschult ist, ist das kein Problem. Ausschließlich ausländische Mitarbeiter, das wird ein Problem sein – wobei: Vor Jahren hat ein Inder in Hall ein Tiroler Wirtshaus geführt, er hat das sehr gut gemacht. Wir haben auch bei Neubewerbungen vermehrt Ausländer, teils Stammgäste z. B. aus Holland, die ein Lokal übernehmen wollen, wenn es sonst zusperrt.
Wie lebendig ist das Tiroler Gasthaus noch?
Weigand: Wenn man 1992 mit heute vergleicht, hat sich viel zum Positiven gewendet. Früher gab es die Allerweltstourismusküche mit Zigeunerspieß & Co. Heute findet man wieder ein Tiroler Gröstl und gute Klassiker wie den Tafelspitz, auch leichte vegetarische Gerichte. Positiv ist auch: Die jungen Wirte haben einen frischeren, moderneren Zugang zum Gast. Da gibt es WLAN im Betrieb, sie machen Nudeln selbst und kochen leichter, etwa die Kasspatzln mit Graukas statt fettem Rasskas. Es ist auch in keinem Betrieb ein Problem, eine Kinderportion von einem Gericht zu bekommen. Ich möchte, dass meine Kinder mehr kennen lernen als das Winnetou-Schnitzel.
Welche Rolle spielt der Stammtisch noch?
Knapp: Sicher nicht mehr die wie früher, aber Stammgäste wie die „Karter“ kommen noch. Wir haben auch viele Vertreter, die seit Jahren bei uns übernachten. Vor allem am Sonntag nach der Kirche kommen die Leute noch, manche auch nach der Arbeit. Aber die Jungen gehen ins Pub oder Tenniscafé. Irgendwann wird aber das Gasthaus wieder ein Thema für sie.
Weigand: Das Tiroler Wirtshaus wird immer seine Berechtigung haben! Wünschen würden wir uns eine bessere Zusammenarbeit mit den landwirtschaftlichen Institutionen wie Agrarmarketing und Landwirtschaftskammer.
Das Interview führte Elke Ruß