U-Ausschuss vor Aus: Riskieren SPÖ und ÖVP „Ende mit Schrecken“?
Er gilt zwar als erfolgreichste parlamentarische Untersuchung seit Jahrzehnten, trotzdem droht der Korruptions-U-Ausschuss in einem peinlichen Hickhack um Formalfragen zu Ende zu gehen. Die Opposition vermutet ein abgekartetes Spiel von SPÖ und ÖVP.
Wien - Es wird immer wahrscheinlicher: Nach 44 Sitzungen und 137 Zeugenbefragungen könnte der Korruptions-U-Ausschuss am Mittwoch von den Koalitionsparteien vorzeitig beendet werden. Ein Formalstreit - es ging um die Zulässigkeit bestimmter Anträge -
mit der Vorsitzenden Gabriela Moser (Grüne) blockierte seit Wochen den U-Ausschuss. Eine weiteres Arbeiten sei so nicht mehr möglich, meinen ÖVP und SPÖ und fordern den Rücktritt Mosers. Das Aufklären mutmaßlicher Korruptionsskandale tritt in den Hintergrund.
Eine letzte Chance auf einen Kompromiss gibt es am Mittwoch am Rande der Parlamentssitzung. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) will noch einmal direkt mit den Fraktionschefs der fünf Parteien reden. Doch auch sie scheint nicht mehr viel Hoffnung zu haben. „Es schaut nicht gut aus“, sagte sie bereits am Freitag.
Experten und Oppositionspolitiker vermuten, die Koalition hätte nur einen Grund gesucht, um den Ausschuss noch vor der brisanten Inseratenaffäre um Kanzler Faymann rasch „abdrehen“ zu können.
Glawischnig: „Rückfall ins Kontrollmittelalter“
„Den Regierungsparteien geht es überhaupt nicht um die Vorsitzführung Mosers, sondern lediglich darum, die Ladung von Bundeskanzler Faymann zu verhindern“, wetterte am Montag Grünen-Chefin Eva Glawischnig. „Das was hier passiert, ist ein Sittenbild der Republik“, sagte Glawischnig. „In Staaten wie Deutschland wäre es undenkbar, dass Minister oder die Kanzlerin nicht vor einem U-Ausschuss aussagen. Ich bin schwer enttäuscht vom Bundeskanzler und den Regierungsparteien. Das, was diese derzeit betreiben, ist ein Rückfall ins Kontrollmittelalter.“
Sie verurteilte erneut die Angriffe auf Moser und befürchtet, dass der U-Ausschuss die Parlamentssitzung am Mittwoch nicht überlebt. „Aber wie das öffentlich erklärt wird, ist mir ein Rätsel.“
FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache forderte die Grüne Moser am Montag auf, sich von ihrem Amt zurückzuziehen. SPÖ und ÖVP würden diesen Zustand missbrauchen, um den Ausschuss vorzeitig abzudrehen. Eine Weiterführung könne daher nur mit dem Rückzug Mosers sichergestellt werden. „Die FPÖ besteht auf die Fortsetzung des Untersuchungsausschusses gegen diese unheilige Allianz.“
Grüne, FPÖ und BZÖ fordern seit Wochen die Ladung von Faymann. Die SPÖ legt keinerlei Wert darauf, dass ihr Parteichef vor den Ausschuss geladen wird und bekommt dabei von der ÖVP Unterstützung. „Wir wolle keinen Koalitionsbruch und Neuwahlen riskieren, sagte dazu ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf in der ORF-“Pressestunde“.
Lieber „Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende“
Ein vorzeitiges Ende des Ausschusses per Fristsetzungsantrag - wie es derzeit im Raum steht - würde bei der nächsten Nationalratswahl vor allem SPÖ und ÖVP schaden, glaubt der Politikberater Thomas Hofer. Die Koalitionsparteien wollen aber offensichtlich eher „ein Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende“, meinte Hofer am Montag.
Ein Abdrehen des Ausschusses wäre jedenfalls „keine gute Optik“, so Hofer, aber anscheinend sei es das Kalkül der Regierungsparteien, einmal schlechte Nachrichten zu riskieren, die dann aber in einem Jahr bis zur planmäßigen Wahl wieder verschütt gegangen sind. Der Experte spricht von „Agenda Cutting“: ein Thema sterben lassen und andere hochziehen, wie etwa die Wehrpflicht-Debatte. Ob man der Koalition das durchgehen lasse, hänge von den Medien und den anderen Parteien ab.
SPÖ will „Macht der Bilder“ vermeiden
Die SPÖ wolle unbedingt die „Macht der Bilder“ vermeiden und weder Kanzler noch Staatssekretär (im Zuge der Inseratenaffäre, Anm.) vor einem „parlamentarischen ‚Tribunal‘“ sehen, analysierte Hofer. Dafür riskiere man auch, dass einem das Abdrehen vorgeworfen werden wird. Der Gedanke dahinter: Es ist genug Zeit bis nächsten Herbst, um andere Themen zu spielen. Erfolge wie das Transparenzpaket würden sich die Regierungsparteien aber so natürlich ruinieren.
FPÖ und BZÖ würden sich „tunlichst ducken“ und den „schwarzen Peter“ bei der Koalition lassen. Zwar wäre es für sie ein Genuss, müsste der Kanzler vor den Ausschuss treten, aber gleichzeitig hätten sie bei einer Fortsetzung des Ausschusses selbst genug zu verlieren, verweist Hofer darauf, dass FPÖ und BZÖ auch in diverse Affären involviert seien. (TT.com/APA)