Todesserie durch gepanschten Schnaps weitet sich drastisch aus
Bereits 20 Menschen starben in Tschechien durch den Konsum von gepanschtem Alkohol. Nun wurden auch Fälle in der Slowakei und Polen bekannt.
Wien/Prag - Nach einer beispiellosen Serie von mindestens 20 Toten geht in Tschechien die Angst vor gepanschtem Alkohol um. Die Ansage von Gesundheitsminister Leos Heger ist klar: Solange sich weiter Menschen mit dem Industriealkohol Methanol vergiften oder gar sterben, bleibt hochprozentiger Schnaps landesweit unter Verschluss. Dennoch erfasst die gefährliche Vergiftungswelle immer mehr Regionen. Auch die Slowakei und Polen sind bereits betroffen, Österreich bisher nicht.
Die Gastronomieszene in dem Land, in dem besonders viele Besucher aus Deutschland und Österreich Urlaub machen, fürchtet dramatische Einnahmeeinbußen wegen der Todesserie. Nicht nur die Wirtschaft, auch die Staatskasse bekommt die „Prohibition“ zu spüren. Nach Prager Medienberichten entgehen dem Fiskus jeden Tag umgerechnet fast eine Million Euro an Einnahmen aus der Branntweinsteuer.
Fieberhafte Fahndung nach Giftmischern
Weiterhin ist völlig unklar, in welche Geschäfte und Gasthäuser das Gift gelangen konnte. Die Polizei fahndet fieberhaft nach den Giftmischern, bisher aber weitgehend erfolglos. „Das Verkaufsnetz ist auf eine Weise infiltriert, die kaum durchschaubar ist“, sagte Gesundheitsminister Leos Heger am Montag in Prag. „Die Epidemie ist nicht beendet“, warnte der konservative Politiker, Arzt und Hochschullehrer.
Das generelle Verkaufsverbot für Hochprozentiges ist nicht unumstritten. Es wächst die Befürchtung, dass unerfahrene Amateure zu Hause Fusel-Schnaps brennen und sich auf diese Weise gefährden. Alkoholiker könnten sogar zu Haushaltsreiniger greifen, hieß es. Der EU-Mitgliedsstaat liegt im Alkoholkonsum weltweit auf dem zweiten Platz hinter der Ex-Sowjetrepublik Moldau, wie aus einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation hervorgeht.
Was mit den weggepackten Vorräten in Tschechien geschehen soll, weiß im Moment niemand. Rund 20 Millionen Flaschen harten Alkohols liegen laut Gesundheitsminister im ganzen Land auf Eis. Das sind mehr als zwei für jeden erwachsenen Einwohner Tschechiens.
Fünf Tote auch in Polen
Neben Tschechien kämpft auch Polen mit einer wachsenden Zahl von Alkoholvergiftungen. In den vergangenen beiden Wochen seien fünf Menschen gestorben, sagte der Chef des staatlichen Toxikologie-Zentrums, Piotr Burda, am Montag. Er sieht jedoch keine Verbindung mit den Fällen in Tschechien.
Auch in der Slowakei sind erste Fälle von Vergiftungen mit gepanschtem Alkohol aus Tschechien bekanntgeworden. Das berichtete der Nachrichtensender TA3 am Montag unter Berufung auf das Gesundheitsministerium. Für eine private Geburtstagsfeier in Kapusany habe ein Slowake zehn Liter Schnaps per Internet aus Tschechien bestellt. Nach Hinweisen der tschechischen Polizei seien alle Besucher der Feier zur Untersuchung ins Krankenhaus aufgerufen worden. Bei vier Personen seien dabei Vergiftungen festgestellt worden, die aber allesamt nicht lebensbedrohend seien.
Noch keine Warnung für Österreich
Das österreichische Gesundheitsministerium wies auf mögliche Gefahren hin und riet davon ab, hochprozentigen Alkohol unbekannter Herkunft zu konsumieren. Dies gelte insbesondere bei Ausflügen in die Tschechische Republik. Nach den Vorkommnissen in Tschechien sei das EU-Schnellwarnsystem aktiv geworden. Bei den regelmäßigen Kontrollen durch die Lebensmittelaufsicht seien in den vergangenen Jahren keine Produkte wegen überhöhter Methanolgehalte als gesundheitsschädlich beanstandet worden. Man beobachte die Situation „sehr engmaschig“. (APA/dpa)