Bühne

Der Vater des Alpen-Tarzans

Mehr als der Librettist von Mozarts „Zauberflöte“: Vor 200 Jahren starb der umtriebige Theatermacher Emanuel Schikaneder, der auch in Tirol seine Spuren hinterließ.

Innsbruck –Am Beginn der Schikanedergasse im 4. Wiener Gemeindebezirk weist eine kleine Tafel den Namesgeber als „Verfasser der ‚Zauberflöte‘ und Gründer des Theater an der Wien“ aus. So hat sich der 1751 im niederbayrischen Straubing geborene Emanuel Schikaneder in die österreichische Kulturgeschichte eingeschrieben. Bei der Premiere des Stückes am 30. September 1791 stand Schikaneder zudem als Papageno auf der Bühne des Wiener Freihaustheaters. Doch nicht nur Papageno, Tamino und die Königin der Nacht stammen aus der Feder Schikaneders, sondern auch die bis in die Gegenwart beliebte Figur des Tirolers als naturverbundener und bisweilen bestenfalls bauernschlauer Alpen-Tarzan. Dieser erblickte in Schikaneders 1796 entstandenem (und zwei Jahre später erstmals gedrucktem) Stück „Der Tyroler Wastel“ das Licht der Wiener Vorstadt­bühnen. „Mit der Kunstfigur des Tirolers hat Schikaneder einen Archetypen geschaffen, der einem noch in zeitgenössischen Texten manchmal begegnet: den hartgesottenen Naturburschen, der mit sich und der Welt eher im Reinen ist als sein dramatisches Gegenstück, der verkommene und von gesellschaftlichen Konventionen gehemmte Städter“, erklärt Ekkehard Schönwiese vom Theaterverband Tirol, der das Stück zuletzt 2009 auf die Bühne brachte. „Das Stück feierte auf den Wiener Bühnen große Erfolge. Vor allem in der Zeit um 1809, als die als mutiges und widerständisches Volk in aller Munde waren, wurde es viel gespielt“, so Schönwiese im Gespräch mit der Tiroler Tageszeitung. Insgesamt wurde das Stück allein in Wien bis 1818 131-mal aufgeführt und mit Erfolg exportiert (selbst am von Goethe geleiteten Weimarer Hoftheater kam es mehrfach zur Aufführung).

„Schikaneders Musikstück ist aber nicht nur wegen seines überregionalen Erfolgs, das das Bild des Tirolers nachhaltig prägte, interessant“, erklärt der Musikhistoriker Thomas Nußbaumer im TT-Gespräch, „sondern es gibt auch eine musikethnologische Dimension. Im noch heute bekannten Lied ‚Die Tyroler sand often so lustig so froh‘ findet sich der früheste Beleg für den Begriff ‚jodeln‘. Dort heißt es: ‚Sie jodeln und singen und thun sich brav um / Und hüpfen und springen wie die Gemsen herum‘.“

Obwohl Schikaneder den „Tyroler Wastel“ – ganz in der Tradition des Wiener Vorstadttheaters – als eindimensionale Kunstfigur entwarf, konnte er auf seine profunde Kenntnis des, wie er es nannte, „Tyroler Charakters“ zurückgreifen. Schließlich feierte Schikaneder, noch keine 25 Jahre alt, seine ersten Theatererfolge in Innsbruck. Am k.k. Hof- und Nationaltheater am Rennweg feierte 1775/76 sein erstes Stück „Die Lyranten oder Das lustige Elend“, in dem er seine Erfahrungen als Schausteller und Wandermusiker verarbeitete, Premiere. In der Folge kam er mit seiner Theatertruppe immer wieder nach Tirol und griff auch mehrfach auf Tiroler Stoffe, beispielsweise im Stück „Philippine Welserin oder die schöne Herzogin von Tirol“, zurück.

Unsterblich wurde Emanuel Schikander, dessen Todestag sich am Freitag zum 200. Mal jährt, allerdings durch „Die Zauberflöte“. „Auch bei der Zauberflöte gibt es einen indirekten Tirol-Bezug“, erklärt Ekkehard Schönwiese. Die Figur des Vogelhändlers gehe zurück auf den Bergbau, wie es ihn vor allem in Imst gegeben hat. Erst nachdem der Bergbau in dieser Gegend zurückgegangen war, machten sich die Vogelhändler entlang von Inn und Donau auf den Weg. „Der Verdacht, dass ein solcher Vogelhändler die Figur des Papageno inspiriert hat, liegt durchaus nahe“, so Schönwiese.

Mit dem durchschlagenden Erfolg der „Zauberflöte“ begann allerdings auch der Abstieg des Schikaneders, den Zeitgenossen als „größenwahnsinnigen Prahlhans“ beschrieben. Sämtliche Versuche, an den Erfolg des Stückes anzuschließen, selbst in Form von Fortsetzungen, scheiterten. Infolge einer Geldentwertung kehrte er 1811 mittellos, wo er 1801 das Theater an der Wien gegründet und mehrere Jahre geleitet hatte, zurück. Am 21. September 1812 starb er verarmt und geistig umnachtet. Er hinterließ 44 Opern- und Singspiellibretti sowie 55 Sprechstücke. (jole)