Wie „Rollbrettfahrer“ die DDR ins Wanken brachten
In seinem Kinodebüt „This Ain‘t California“ erzählt Marten Persiel eine wunderbar leichte Geschichte der Auflehnung gegen den SED-Staat.
Von Peter Angerer
Innsbruck –Die Aufwertung des Skateboardings zur olympischen Disziplin wird wohl wegen der enormen Nachfrage nicht mehr lange aufzuhalten sein, öffentliche Plätze in den Städten haben die Skater nach der Überwindung erbitterter Vorbehalte längst erobert. In der Deutschen Demokratischen Republik gab es zwar großzügige Plätze, aber keine Skateboards. Als sich die ersten Jugendlichen Ende der siebziger Jahre die Räder von ihren Rollschuhen auf grobe Bretter schraubten, um in Hinterhöfen Bilder aus dem Westfernsehen zu imitieren, wurde sofort im Ostfernsehen vor einer neuen Krankheit gewarnt, denn diese Jugendlichen waren ein Angriff gegen jede Idee des Kollektivs. Deren äußere Erscheinung verriet auch nicht gerade eine Sehnsucht nach autoritärer Führung und Unterwerfung. Aber da es sie schon einmal gab, sollten die Skater zumindest deutsch sein: Also wurden sie Rollbrettfahrer genannt.
In seinem Kinodebüt „This Ain‘t California“ erzählt Marten Persiel die Geschichte der Skater-Bewegung in der DDR. Dazu nutzt er Archivmaterial, denn die Rollbrettfahrer waren nicht nur Avantgardisten im SED-Staat, sondern auch Super-8-Filmer, die ihre Fortschritte und politischen Triumphe eifrig dokumentiert haben. Dabei gelingt es Persiel, der in England ausgebildet wurde, aus dem Material eine faszinierende Erzählung zu montieren, die eine bisher nicht wahrgenommene DDR-Realität und die kleinen Freiheiten, die erkämpft werden mussten, illustriert.
Der Star der Bewegung war Dennis, der in seiner Jugend als Zukunftshoffnung des Schwimmverbandes aufgebaut wurde. Doch Dennis widersetzte sich dem Trainingsdrill sowie den Funktionären, wechselte zu Skateboard und Aufruhr und verbüßte dafür (vor dem Fall der Mauer) eine Gefängnisstrafe. Dagegen verblassen die Verletzungen des Anfängers mit untauglichem Gerät. Die DDR war eben nicht Kalifornien.
Zwanzig Jahre später treffen sich Dennis‘ Freunde an seinem Grab, denn der stolze Skater, den alle „Panik“ nannten, ist als Soldat der Bundeswehr in Afghanistan 2011 getötet worden. Wie konnte es zu diesem Richtungswechsel kommen, fragen sich die trauernden Freunde beim Bier.
Skateboard war zwar fast so etwas wie eine Ideologie, doch die Skater waren unpolitisch, konnten aber als Folge einer internationalen Vernetzung der Rollbrettakrobaten mit Solidarität rechnen.
Ähnlich hilflos wie die DDR-Behörden vor 30 Jahren die Skater-Anarchie beobachteten, reagierten auch die deutschen Filmförderungsgremien auf Marten Persiels Kinoprojekt – nämlich mit Ablehnung. Nach zwei Jahren vergeblicher Bemühungen entdeckte Persiel für sein Projekt die Möglichkeiten des Crowd Fundings und konnte so zwei Drittel der Produktionskosten finanzieren. Der schräge Erzählansatz von „This Ain‘t California“ kann natürlich irritieren, aber oft sind es die trivialen Dinge, die ein politisches System entlarven können.