Gemeinsam Wurzeln schlagen
Garteln zählt zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen. Aber was tun, wenn der Wunsch nach einem grünen Fleckerl zwar übermächtig, aber so gut wie gar nicht zu verwirklichen ist? Gemeinschaftsgärten schaffen Abhilfe.
Von Stefanie Kammerlander
Butterbrot mit Schnittlauch – das ist für den achtjährigen Lukas die allerbeste Jause. Ungewöhnlich, aber verständlich. Denn Lukas hat seiner Mama oft geholfen, Unkraut aus dem Gartenbeet zu zupfen und dem Schnittlauch gut zuzureden. Das Beet mit dem Schnittlauch ist Teil eines Gemeinschaftsgartens in Innsbruck. zwölf solcher organisierten Gemeinschaftsgärten gibt es mittlerweile in Tirol – private Gartenverbünde exklusive.
Das Tiroler Bildungsforum unterstützt seit Jahren die Bewegung, die aus den Vereinigten Staaten nach Europa geschwappt ist. Während in New York der Gedanke nach gesunden Lebensmitteln an oft exotischen Anbauflächen verwirklicht wurde, stand in Deutschland die spezielle Form eines interkulturellen Gartens im Vordergrund.
„Ziel ist auch bei uns ein Garten, der Menschen verbindet“, sagt Petra Obojes-Signitzer, Leiterin der Netzwerkstelle Gemeinschaftsgärten Tirol. Die bis jetzt verwirklichten zwölf Tiroler Projekte zeichnen sich durch Individualität aus. Generationengarten, Schulgarten, Pfarrgarten oder eine Grünoase beim Pflegeheim – die Initiativen sprießen vielfach.
Im Gemeinschaftsgarten von Wilten stecken bereits über drei Jahre Erfahrung. Auf einem Drittel des 2600 Quadratmeter großen Areals werden nun Gemüse, Obst und Kräuter geerntet, der Rest ist Spielbereich und Kommunikationszentrum. Das Tiroler Bildungsforum lieferte im September 2009 die Starthilfe, der Garten wurde mit den künftigen Kleingärtnern angelegt. In Gruppen wurden die Arbeiten damals koordiniert. Sechs Personen waren im Planungsausschuss, andere wiederum bauten Zäune oder Stützmauern. Jetzt ist jeder für sein kleines Stückchen Erde selbst verantwortlich. Nach einem Jahr der Koordination liegt diese Arbeit in den Händen dreier Mitglieder. Das Ziel, neue Wurzeln zu schlagen – für viele in neuer Umgebung –, ist mit dem Garten erreicht worden.
„Menschen aus 25 verschiedenen Ländern, aus unterschiedlichen sozialen Schichten und allen Altersgruppen haben die eine verbindende Klammer – den Garten. Es haben sich schon Freundschaften, gute Kameradschaften, aber auch Probleme ergeben“, erzählt Obojes-Signitzer.
Manche Menschen reagieren mit Unverständnis, wenn ihr Nachbar z. B. sein Beet nicht so sorgfältig pflegt. „Andere wiederum haben aber schlicht und einfach den Arbeitsaufwand unterschätzt“, erzählt die Koordinatorin.
Die Vorteile der Gemeinsamkeit überwiegen allerdings bei Weitem. Denn Reibereien lassen sich beseitigen, Spannungen abbauen. So kann Obojes-Signitzer von regem Austausch von Gemüsesorten zwischen den Gartenfreunden berichten. Wer kennt bei uns schon chinesischen Spargelsalat, Schnittknoblauch oder Gemüsemalve. Im gemeinsam verwalteten Kräuterbeet gibt es mittlerweile zehn verschiedene Minzesorten.
Die Initiativen für Gemeinschaftsgärten sprießen. So haben sich bereits „Ackerfreunde von Arzl“ gefunden oder Menschen, denen Permakultur ein besonderes Anliegen ist. Sie verwirklichen ihre Ideen im Kapuzinergarten in Innsbruck.
Das junge Klanggemüse in Schwaz wiederum ist ein Projekt der Klangspuren und von Slow Food Tirol. Volksschüler betreuen den Garten der Pfarre, säen, ernten und lernen, Gemüse zu schätzen. Heuer haben sie ein grünes Getränk aus dem Pfarrgarten fabriziert. „Zuhause hätten sie das nie getrunken, aber so schmeckte es jedem besonders gut“, erzählt Obojes-Signitzer.
Der Trend zum gemeinsamen Arbeiten im Grünen blüht. Das war bei einer Fachtagung in Innsbruck zu spüren, bei der Teilnehmer aus allen Bundesländern ihre Erfahrungen austauschten. Das Tiroler Bildungsforum (www.tiroler-bildungsforum.at) unterstützt Menschen mit ihren Gartlerträumen und bemüht sich um geeignete Flächen. Damit das Schnittlauchbrot in Reichweite rückt.