Präsident Fischer rüffelt Akteure: „Parteitaktik statt Aufklärung“
Quasi in letzter Minute ist am Mittwoch ein Abdrehen des Korruptions-U-Ausschusses verhindert worden. Doch BZÖ, FPÖ und Grüne sind sich einig: „Wir wurden von SPÖ und ÖVP eiskalt erpresst.“ Heftige Kritik an den Akteuren übte nun auch Bundespräsident Fischer.
Wien - Die Entwicklungen der letzten Tage im Korruptions-Untersuchungsausschuss sowie die Wortmeldungen dazu seien „in mehrfacher Hinsicht unerfreulich“ gewesen. Das hat Bundespräsident Heinz Fischer am Donnerstag in einer Aussendung erklärt. Man habe damit der politischen Kultur in Österreich „keinen guten Dienst erwiesen“. Der Bundespräsident ortet parteitaktisches Agieren und hofft nun, dass die verbleibende Zeit im Ausschuss vernünftig genutzt wird.
„Es ist unübersehbar, dass der am Anfang zweifellos bei allen Beteiligten vorhandene Wille zur Aufklärung in weiterer Folge immer mehr einem von parteitaktischen Gesichtspunkten motivierten Verhalten Platz gemacht hat“, so Fischer. Er begrüßt nun, dass das parlamentarische Verantwortungsbewusstsein im letzten Augenblick dazu geführt habe, den einstimmig eingesetzten U-Ausschuss nicht abrupt abzubrechen, sondern weitere Verhandlungstermine zu vereinbaren.
„Eine nächste Bewährungsprobe wird darin bestehen, ob es gelingt, die verbleibende Zeit vernünftig zu nutzen und dann einen sachlichen Abschlussbericht des Ausschusses zu formulieren“, erklärte der Bundespräsident. Darüber hinaus sei es notwendig, das Verfahren im U-Ausschuss zu verbessern.
Opposition schäumt nach Kompromiss
„Es war keine Sternstunde des Parlaments“. Das war noch die harmloseste Reaktion der Opposition, nachdem man sich mit der Koalition am späten Mittwochnachmittag doch noch auf eine Fortsetzung des U-Ausschusses einigen konnte. Viel war zuvor passiert. Bereits in der Früh legten SPÖ und ÖVP einen Antrag vor, der vorsah, dass der U-Ausschuss bis Mitte Oktober „durchgepeitscht“ wird. FPÖ, Grüne und BZÖ wollten da nicht mitmachen. Die Regierunsparteien brachten daraufhin im Nationalrat eine Fristsetzungantrag ein. Damit wäre der Ausschuss schon mit Freitag ohne weitere Zeugenbefragungen vorzeitig abgedreht worden.
Stundenlanges Taktieren und hektische Gespräche folgten, bis schließlich ein nicht mehr für möglich gehaltener Kompromiss erzielt wurde. Grund zur Freude war das für die Opposition aber nicht, ganz im Gegenteil. Freiheitliche, Grüne und BZÖ hatten für den Kompromiss einiges zu schlucken. Kanzler Werner Faymann (SPÖ) muss im Inseratenkomplex nicht im Ausschuss erscheinen und beim Thema Ost-Geschäfte der Telekom ist mit dem Unternehmer Martin Schlaff gerade einmal eine Auskunftsperson vorgesehen. Und bereits am 16. Oktober soll Schluss ein. Dabei sind noch drei von sieben Themen ungeklärt - siehe auch: http://go.tt.com/PCWl5r
„Unverschämte, eiskalte Erpressung“
Die Opposition zeigt sich nach dem Tauziehen empört über das Verhalten der beiden Regierungsparteien. „Das war eine glatte, unverschämte politische Erpressung“, sagte Grünen-Fraktionsführer Peter Pilz in der ORF-Diskussion am „Runden Tisch“. SPÖ und ÖVP hätten gedroht, den Ausschuss „gleich abzudrehen“, wenn die Opposition nicht die nun beschlossene Vorgangsweise unterschreibe. „Eiskalte Erpressung“ attestierte BZÖ-Fraktionschef Stefan Petzner der Koalition. Und auch der neue U-Ausschuss-Vorsitzende Walter Rosenkranz (FPÖ) meinte „ich fühle mich durchaus erpresst“, die Opposition habe „starke Federn lassen müssen“, um „ein paar Tage herauszuschinden“.
ÖVP: „Starkes Zeichen des Parlaments“
Ganz anders sahen dies die Regierungsparteien: Die Fraktionsführer von SPÖ und ÖVP, Otto Pendl und Werner Amon, verteidigten ihre Vorgangsweise. Für Amon war die Fünf-Parteien-Vereinbarung sogar ein „starkes Zeichen des Parlaments“, wie er in der „ZiB 2“ sagte. Pendl meinte, es wäre „falsch, jetzt zu unterstellen, wir hätten etwas gestohlen oder etwas abgedreht“.
Doch die Oppositionspolitiker konnten sich nicht einmal mit dem Wort „Kompromiss“ anfreunden. „Das ist kein Kompromiss. Die Opposition hat nur alles getan, das der Ausschuss diesen Tag überlebt. Das haben wir zwar geschafft, wir mussten uns aber sehr viel bieten lassen“, erzählte Pilz. „Das war kein schöner Tag. Wir haben es geschafft, dass der Ausschuss weitergeht. Jeder zusätzliche Tag ist besser, als ein sofortiges Ende. Aber so geht man unter Parlamentariern nicht um“, meinte Petzner. Er versprach, dass die Opposition trotz aller „Zensur-, Abdrehungs- und Beschneidungsversuche“ der Regierung alles tun werde, um die anstehenden Themen lückenlos aufzuklären.
Faymann-Ladung nicht vom Tisch
Obwohl Faymann nicht auf der Ladungsliste steht, will die Opposition weiter versuchen, den Bundeskanzler als Auskunftsperson in den U-Ausschuss zu bekommen, wie Pilz, Rosenkranz und Petzner am „Runden Tisch“ ankündigten. Im Interview mit dem Ö1-“Morgenjournal“ sagte Rosenkranz am Donnerstag, dass Faymann erneut geladen werde, da das „nicht verboten ist“. Es liege allein an der SPÖ, die mit der ÖVP abklären müsse, ob der Kanzler aussagt oder nicht. Rosenkranz: „Ich hoffe, dass zu den 91 Prozent der Österreicher, die Werner Faymann im Ausschuss sehen wollen, noch der eine oder andere SPÖ-Abgeordnete kommt.“
Scharf schoss auch Peter Pilz noch Richtung SPÖ: Faymann habe es offenbar nötig, sich hinter dem Abgeordneten Pendl zu verstecken, das sei eine Schande und eine politische Dummheit. „Die SPÖ hat es geschafft, dass die Affären Graf und Scheuch zu Kleinigkeiten verkommen sind, neben der immer größer werdenden Affäre Faymann.“
Faymann will keine Ratschläge erteilen
Kanzler Faymann selbst betonte am Donnerstag einmal mehr, nach wie vor zur Verfügung zu stehen, wenn er geladen werde. Er wolle aber den Abgeordneten keine Ratschläge erteilen. Seine Ladung sei mehrfach beantragt worden, erinnerte Faymann. Wie die Abgeordneten entscheiden, sei aber deren Sache, übte er sich in Zurückhaltung, er könne schließlich nicht sagen, etwas sei Sache des Ausschusses und dann Ratschläge erteilen. Dass er - im Sinne der Förderlichkeit - selbst sein Erscheinen anbiete, lehnte er auf Nachfrage ab.
Die Ladung einer Auskunftsperson sei von den Mandataren nämlich danach zu entscheiden, welche Bedeutung sie für die Aufklärung habe und welcher Eindruck dadurch entstehe. „Wenn die der Meinung sind, dass ich gebraucht werde, bin ich da“, beteuerte der Kanzler einmal mehr. Dass er der Ladung aller Voraussicht nach entgehen wird, mache ihn aber weder traurig noch glücklich. „Da muss man die emotionale Seite ausblenden.“
Forderung nach Reform der Verfahrensordnung
Der frühere Rechnungshof-Präsident und jetzige Beiratspräsident von Transparency International Österreich, Franz Fiedler, forderte unterdessen eine Reform der Verfahrensordnung für parlamentarische U-Ausschüsse. Es sei „hoch an der Zeit“, die Verfahrensordnung „endlich“ nach deutschem Vorbild zu ändern, sagt Fiedler in der Nacht auf Donnerstag in der „ZiB 24“. Der Streit um das Abdrehen des Untersuchungsausschuss habe „mit deutlicher Brutalität“ vor Augen geführt, „wer in Österreich in der Gewaltenteilung die Vorderhand hat, und das ist nun mal die Regierung“, so Fiedler.
Der bis 16. Oktober fortgesetzte U-Ausschuss könne „zwar noch einiges leisten, aber sicherlich nicht das, was nötig wäre“, sagte Fiedler. Er kritisierte vor allem, dass Faymann nicht im Ausschuss erscheinen muss. „Es ist geradezu skurril, auf die Person, die im Mittelpunkt des Interesses steht, zu verzichten,“ so Fiedler. „Man stelle sich vor, man hätte Grasser in der Causa BUWOG nicht geladen oder Strasser in der Causa Strasser.“ (TT.com, APA)