Gesellschaft

Brandkatastrophe in Textilfabrik: Über 100 Tote in Bangladesch

Etwa 1000 Arbeiter nähten zum Zeitpunkt des Unglücks in der Fabrik. Viele sprangen aus Verzweiflung aus Fenstern.

Dhaka - Kein Entrinnen aus der Flammenhölle: Mehr als 100 Menschen sind beim verheerenden Brand einer Textilfabrik in Bangladesch ums Leben gekommen. Weitere 200 Menschen erlitten Verbrennungen, sagte der Einsatzleiter am Sonntag. Zwar gab es mehrere Treppenhäuser, doch alle führten ins Erdgeschoß, wo das Feuer am Samstag ausgebrochen war. Andere Notausgänge gab es nicht. Etwa 1.000 Arbeiter und Arbeiterinnen nähten zum Zeitpunkt des Unglücks in der Fabrik. Sie produzierte auch für deutsche Firmen.

Die Kampagne für Saubere Kleidung prangerte die schlechten Arbeits- und Sicherheitsbedingungen in vielen Fabriken des Billiglohnlandes an. Immer wieder kommt es in Bangladesch, Indien und Pakistan zu ähnlichen Unglücken.

Die Menschen gerieten in Panik, viele sprangen aus Verzweiflung aus Fenstern des neunstöckigen Gebäudes in der Nähe der Hauptstadt Dhaka. Auf Fotos waren verkohlte Nähspindeln und ausgebrannte Säle zu sehen. Ein Untersuchungskomitee wurde eingesetzt, um die Brandursache zu erkunden. Einer der Überlebenden sagte dem privaten Fernsehsender Channel I, das Feuer sei dem elektrischen Hauptschalter entsprungen: „Ein Kurzschluss könnte das Feuer verursacht haben.“

Die Flammen breiteten sich schnell auf die anderen Stockwerke aus. Sie schlossen die Näherinnen und andere Arbeiter im Gebäude ein. Am Morgen sprach der Einsatzleiter zunächst von 115 Toten, später am Tag zählte die Feuerwehr 109 Leichen. Die meisten der Opfer waren Frauen. Die Rettungsarbeiten wurden inzwischen eingestellt. Angehörige schritten die Reihen mit Leichensäcken vor der ausgebrannten Fabrik ab, um die Toten zu identifizieren. Sie hielten sich Tücher vor Mund und Nase, so durchdringend war der Geruch verbrannten Fleisches.

Die 2009 erbaute Fabrik Tazreen Fashion Limited gehört zur Tuba Group, die laut Unternehmenshomepage unter anderem für C&A, Carrefour und Walmart produziert. C&A-Sprecher Thorsten Rolfes bestätigte am Sonntag in Düsseldorf, die Fabrik sei beauftragt gewesen, 220.000 Sweatshirts herzustellen und von Dezember 2012 bis Februar 2013 an C&A in Brasilien zu liefern. „Unser Mitgefühl gilt den Opfern dieses furchtbaren Unglücks sowie deren Familien und Angehörigen“, sagte Rolfes als Sprecher von C&A Europa.

Auch andere deutsche Firmen wurden laut der Unternehmenshomepage von der Unglücksfirma beliefert, diese waren zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Die Kapazität der Firma lag diesen Angaben zufolge monatlich bei einer Million T-Shirts, 800.000 Polo-Shirts und 300.000 Fleecejacken. Ein Sprecher von Tazreen Fashion Limited erklärte vor Kameras, der Betrieb habe Standards der Europäischen Union eingehalten. So habe es etwa vier alternative Treppenaufgänge gegeben, doch die Arbeiter seien in der Panik zum Hauptausgang gestürmt.

Schlechte Arbeits- und Sicherheitsbedingungen in vielen Fabriken Bangladeschs begünstigen laut der Kampagne für Saubere Kleidung (CCC) verheerende Unfälle. Zwar kenne er die konkreten Umstände in der nun abgebrannten Fabrik nicht, sagte CCC-Eilaktionskoordinator Lars Stubbe am Sonntag auf Anfrage in Düsseldorf. Sehr häufig gebe es aber keine vernünftigen Notausgänge. Oder diese Ausgänge seien in völlig überfüllten und mit Waren vollgestellten Fabrikhallen versperrt. Auch bei dem Unglück in Bangladesch gebe es hierfür Anzeichen.

Der Verband der Textilhersteller und -exporteure in Bangladesch versprach eine Entschädigung. Jede Familie, die einen Toten zu beklagen habe, solle 1.230 Dollar (umgerechnet 948 Euro) erhalten. Die Textilindustrie ist der wichtigste Wirtschaftsfaktor Bangladeschs. Die meisten Exporte gehen nach Europa.

Im September gab es einen verheerenden Brand mit 259 Toten in einer Textilfabrik in Pakistan. Bangladesch war bis 1971 ein Teil Pakistans. Die pakistanische Unglücksfabrik belieferte auch den deutschen Textildiscounter KiK. Für die Angehörigen der Toten habe KiK als Nothilfe 500.000 Dollar (387.326,67 Euro) bereit gestellt, teilte das Unternehmen am Sonntag mit. (APA/dpa)

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