Spanien

Katalonien-Wahl: Absolute Mehrheit für Unabhängigkeitsidee

Die Zugewinne der linksnationalistischen ERC sichern trotz Verlusten von Ministerpräsident Mas eine separatistische Mehrheit im Regionalparlament.

Barcelona - Die Regionalwahlen in Katalonien haben an Sonntagabend ein zwiespältiges Ergebnis gebracht. Zwar musste Regierungschef Artur Mas deutliche Verluste einstecken, doch wurde die Idee einer Unabhängigkeit von Spanien von einer knappen absoluten Mehrheit der Wähler unterstützt. Die Verluste der bürgerlichen Nationalisten (CiU) wurden nämlich durch die Gewinner der Linksseparatisten (ERC) wettgemacht. Gemeinsam erhielten sie laut Hochrechnungen mehr als 68 Sitze im 135 Abgeordnete umfassenden Regionalparlament.

Die Convergencia i Unio (CiU) von Mas erreichte beim Urnengang laut Hochrechnungen rund 50 der insgesamt 135 Sitze im katalanischen Regionalparlament in Barcelona. Damit verfehlte Mas, der in der vergangenen Legislaturperiode noch 63 Parlamentssitze besaß, zwar eindeutig die von ihm selber geforderte „absolute Mehrheit“ seiner Partei für die Durchführung eines Unabhängigkeitsreferendums.

Dennoch gaben die 5,4 Millionen wahlberechtigten Katalanen dem katalanischen Unabhängigkeitsprojekt im Regionalparlament eine absolute Mehrheit, weil die linksnationalistische, radikale Separatistenpartei Esquerra Republicana de Catalunya (ERC) von Oriol Junqueras mit 20 bis 23 Parlamentssitzen auf fast doppelt so viele Abgeordnete im Parlament kommt wie in der vorherigen Legislaturperiode mit 13 Parlamentariern. Sie wurden zu zweistärksten Fraktion.

Die Wahlverluste bei Artur Mas Nationalisten scheinen vor allem drei Gründe zu haben. Erstens verstörten viele Wähler die jüngsten Korruptionsvorwürfe gegen Mas und seinen Vorgänger Jordi Pujol, die nicht nur die Partei illegal finanziert, sondern auch privat große Summen an Steuergeldern am Fiskus vorbei auf Konten in Liechtenstein geschleust haben sollen. Gerade in Zeiten der harten Wirtschaftskrise und der drastischen Sparpolitik der Nationalisten führten die Gerüchte zu großer Verunsicherung und Empörung unter der Bevölkerung.

Zweitens war das Ansehen der nationalistischen Regierung durch die drastische und unpopuläre Spar- und Rotstiftpolitik bereits vor den Wahlen am Boden, zumal die Verschuldung Kataloniens trotz der schmerzhaften Kürzungen vor allem im Bildungs- und Gesundheitswesen weiterhin auf 42 Milliarden angestiegen ist, womit Katalonien, Spaniens wirtschaftsstärkste Region, auch die am höchsten verschuldete aller 17 spanischen Autonomien ist.

Drittens glaubten bereits im Vorfeld der Wahlen viele Bürger, die zuvor eher gemäßigten Nationalisten von Artur Mas wollten mit den Unabhängigkeitsforderungen lediglich ihr katastrophales Krisenmanagement kaschieren und ihre Verhandlungsbasis bei zukünftigen Gesprächen mit der spanischen Zentralregierung über einen neuen Fiskalpakt verbessern.

Unter diesen Umständen schienen viele Katalanen, die sich vor allem unter dem Eindruck der nicht enden wollenden Wirtschaftskrise immer mehr für die Trennung der eigentlich wirtschaftsstarken Region von Spanien aussprechen, vor allem die linksnationalistischen Separatisten stärken zu wollen, die sich als „Garant für den Weg in die Unabhängigkeit“ mit einer sozial verträglichen Wirtschaftspolitik präsentierten.

Zu den Wahlverlierern zählten am Sonntag allerdings auch die katalanischen Sozialisten von Pere Navarro (PSC). Sie gingen von 28 auf 21 Sitze herunter. Wie bereits die Regionalwahlen Mitte Oktober in Galicien und im Baskenland zeigten, können sich die Sozialisten immer noch nicht vom schlechten Image befreien, welches das katastrophale Krisenmanagement des früheren sozialistischen, spanischen Ministerpräsidenten Jose Luis Rodriguez Zapatero (PSOE) auf die Partei geworfen hat. Kataloniens sozialistische Frontfrau, Carme Chacon, verspielte damals als Verteidigungsministerin Zapateros auch in Katalonien das Ansehen der Sozialisten und stürzte durch ihren Rücktritt als PSC-Vorsitzende die Partei in eine tiefe Personaldebatte.

Die wie die Sozialisten (die allerdings ein Referendum für legitim halten) für die Einheit Spaniens eintretende konservative Volkspartei von Alicia Sanchez-Camacho (PP) konnte unterdessen kaum mit der Angst vieler Katalanen vor den wirtschaftlichen Folgen einer Abspaltung der Region punkten und dürfteauf 16 bis 18 Mandate kommen. Heuer sind die Konservativen mit 18 Abgeordneten im katalanischen Regionalparlament vertreten.

Vielleicht war es ihr stark spanischfreundlicher und aggressiver Diskurs, welcher potenzielle Wähler eher für Albert Rivera und seine Ciutadans hat stimmen lassen, die bisher mit drei Abgeordneten im Parlament saßen. Die sich in der Nähe der Volkspartei befindliche neoliberale Partei stellte sich als Brücke zwischen Katalonien und Spanien vor und konnte damit ihre Abgeordnetenzahlen auf neun Parlamentarier verdreifachen. (APA/dpa/Reuters/AFP)

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