Natur

Swarovski arbeitet NS-Vergangenheit auf

Swarovski lässt in einem Buch die Firmengeschichte aufar- beiten. Mit Spannung wird vor allem die Rolle des Tiroler Kon- zerns in der NS-Zeit erwartet.

Von Brigitte Warenski

Innsbruck, Wien –Die voest, die heimische E-Wirtschaft, Schenker und viele mehr haben es bereits getan: Sie haben ihre Firmengeschichte und vor allem die Rolle der Unternehmen in der Zeit des Nationalsozialismus von Wissenschaftern aufarbeiten lassen. Als 1994 der Tiroler Historiker Horst Schreiber in seinem Buch „Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Nazizeit in Tirol“ unter anderem über das „gute Einvernehmen“ mit der ­NSDAP, Alfred Swarovskis „Treuegrüße an Hitler“ bei einer Festversammlung und die Zwangsarbeiter schrieb, wurde ihm kein Einblick in die Archive des Tiroler Unternehmens gewährt. 2011 hat sich der Konzern doch entschlossen, die Firmengeschichte bis in die 1950er Jahre, die Geschichte von zwei Generationen und zwölf Menschen, der Öffentlichkeit zu präsentieren. Der Auftrag für ein Buch wurde dem Wiener Wirtschaftshistoriker Dieter Stiefel erteilt, der bereits das 300-seitige Rohmanuskript fertig hat, das er nun überarbeiten wird. Darin wird erstmals umfassend auch die Rolle der Swarovskis in der NS-Zeit beleuchtet.

Dass besonders dunkle Flecken aus dem Buch, das Ende des Jahres mit vielen bisher nie veröffentlichten Bildern erscheinen wird, gestrichen werden könnten, verneinen Stiefel wie der Konzern: „Ich werde alle Dinge auf den Tisch legen. Ich werde am Text sicher nichts verändern, weil ich meinen Ruf auf keinen Fall aufs Spiel setze“, sagt Stiefel, der auch die Unternehmensgeschichte von Schenker, Porr und der Creditanstalt aufgearbeitet hat. „Porr hat mich damals – Anfang der 90er Jahre – gefragt, ob ich nicht die NS-Zeit ausblenden könnte. Dass ich dazu Nein gesagt habe, darüber war man zehn Jahre später sogar froh“, erzählt Stiefel. Auch Markus Langes-Swarovski, der erst vor dem Sommer Einsicht in das Manuskript bekommen wird, bekräftigt die wissenschaftliche Unabhängigkeit von Stiefel: „Für uns ist es entscheidend und ein großes Anliegen, diese Arbeit in aller Transparenz und ohne inhaltliche Einschränkung präsentieren zu können.“ Fragen über die NS-Zeit, die das Buch aufwerfen könnte, „werden wir in angemessener Weise konstruktiv klären“.

Genaue Einblicke will Stiefel in seine Arbeit noch nicht geben, betont aber, dass es ihm wichtig ist, „dass man die Leute aus ihrer Zeit heraus versteht“. Hätte z. B. Swarovski „nicht der Rüstungsindustrie zugearbeitet und Feldstecher für die Wehrmacht hergestellt, wäre das Unternehmen pleitegegangen“. Näher beleuchten wird Stiefel nach eigenen Angaben auch die teilweise frühe NSDAP-Mitgliedschaft der Swarovski-Führung. „Man muss sich anschauen, warum es hier Beitritte 1938 und schon früher gab“, so Stiefel. Aufschluss wird das Buch auch über die heikle Frage der Zwangsarbeiter geben. „Es wird darum gehen, woher sie gekommen sind und wo sie eingesetzt wurden.“ Horst Schreibers inzwischen fast 20 Jahre alte Dokumentation bezeichnet Stiefel als „sehr verdienstvoll, aber man wird manches zurechtrücken müssen, was klar ist, denn wir haben nun sehr, sehr viel Material und behandeln die Unternehmensgeschichte auch viel umfassender“. Für Stiefel ist die NS-Zeit aber nicht der bedeutendste Teil des Buches: „Es ist vor allem eine wahnsinnige österreichische Erfolgsgeschichte. Es ist toll, wie ein Mann (Gründer Daniel, Anm.) und seine Nachkommen ein Unternehmen durch solche Krisen führen konnten.“ Wie schwierig der Start für den Glasschleifer böhmischer Herkunft in Tirol war, wird ebenfalls zu lesen sein. „Die Aufnahme in Tirol war über einige Zeit relativ unfreundlich. Es war bei den Bauern in Wattens Thema, wie die Böhmen angezogen waren und wie sie gesprochen haben“, sagt Stiefel. Und wie sah es innerhalb der großen Swarovski-Familie aus? „Über die Konflikte – wer wann das Sagen im Konzern gehabt hat – schreibe ich, aber sicher nicht über Persönliches.“

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