Dumpinglöhne bei Amazon

Leiharbeiter schikaniert: Amazon trennt sich von Sicherheitsdienst

Der Internet-Versandhändler Amazon wird in Deutschland wegen seiner Arbeitsbedingungen heftig kritisiert. Die Mitarbeiter sollen vom Sicherheitsdienst H.E.S.S. auf Schritt und Tritt kontrolliert worden sein. Der Versandhändler habe die Zusammenarbeit beendet, sagte eine Konzern-Sprecherin.

Seattle/Berlin - Der Internet-Versandhändler Amazon hat seinen umstrittenen Sicherheitsdienst in Deutschland gekündigt und damit Konsequenzen aus dem Vorwurf unwürdiger Arbeitsbedingungen gezogen. „Amazon hat veranlasst, dass die Zusammenarbeit mit dem kritisierten Sicherheitsdienst mit sofortiger Wirkung beendet wird“, erklärte eine Amazon-Sprecherin am Montag und bestätigte damit einen Bericht von süddeutsche.de.

„Als verantwortungsvoller Arbeitgeber von rund 8.000 festangestellten Logistikmitarbeitern hat Amazon eine Null-Toleranz-Grenze für Diskriminierung und Einschüchterung - und wir erwarten das Gleiche von allen Unternehmen, mit denen wir arbeiten.“ Weitere Fragen zu den Arbeitsbedingungen beantwortete Amazon zunächst nicht.

Kontakte zu Neonazi-Szene

Die ARD hatte berichtet, ausländische Mitarbeiter von Amazon seien von dem Sicherheitsdienst H.E.S.S. auf Schritt und Tritt kontrolliert worden. Die Firma soll demnach Kontakte in die Neonazi-Szene haben. Mitarbeiter hätten neonazi-typische Kleidungsmarken getragen, und der Geschäftsführer der Firma zeige sich auf Fotos im Internet mit verurteilten Rechtsextremen, berichteten die ARD-Journalisten. H.E.S.S. erklärte in einer Stellungnahme, es sei ein politisch und weltanschaulich neutrales Unternehmen und weise Verbindungen zum Rechtsextremismus zurück.

Amazon war in dem Bericht wegen menschenunwürdiger Arbeitsbedingungen von Leiharbeitern in seinem Versandlager im hessischen Bad Hersfeld kritisiert worden. Demnach wurden während des Weihnachtsgeschäfts Leiharbeiter aus Spanien und Polen in überbelegten Ferienwohnungen untergebracht, schlechter bezahlt als versprochen und stundenlang in Bussen hin und her gefahren. Die Sozialbeiträge für die Beschäftigten seien nicht korrekt abgeführt worden.

Der deutsche Enthüllungsjournalist Günter Wallraff warf Amazon am Montag „grausamste Arbeitsbedingungen“ vor. Das betreffe vor allem Saison- und Leiharbeiter. Für die Rekrutierung der Beschäftigten ist unter anderem die deutsche Tochter der niederösterreichischen Leiharbeitsfirma Trenkwalder zuständig. Auf APA-Anfrage hieß es auch am Montag von Trenkwalder wieder, „dass wir zum jetzigen Zeitpunkt zu dem Thema ‚ARD Reportage Amazon‘ keinen Kommentar abgeben“.

Trenkwalder im Visier

Das deutsche Arbeitsministerium hat deswegen die deutsche Tochter der niederösterreichischen Leiharbeitsfirma Trenkwalder im Visier. Die Sonderprüfung, die bereits am Donnerstag eingeleitet wurde, betreffe Trenkwalder, bestätigte eine Sprecherin von Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) der APA am Montagnachmittag.

Von der Leyen hatte in der „Welt am Sonntag“ Aufklärung über die Arbeitsbedingungen beim Internet-Versandhändler Amazon gefordert. „Der Verdacht wiegt schwer, deswegen müssen jetzt so schnell wie möglich alle Fakten auf den Tisch“, hatte sie in der Zeitung gemeint und der betroffenen Leiharbeitsfirma sogar mit Lizenzentzug gedroht. Am Montag bestätigte das deutsche Arbeitsministerium, dass von der Leyen damit Trenkwalder gemeint hatte.

Was es genau bedeuten würde, wenn Trenkwalder in Deutschland die „Lizenz“ verlieren würde, sagte die Sprecherin nicht. Es gelte, was die Ministerin gesagt habe. Die Sonderprüfung wird von der Bundesagentur für Arbeit (BA) durchgeführt, Ergebnisse werden noch diese Woche erwartet. Es werde nur eine Firma, also Trenkwalder, geprüft, so das Arbeitsministerium.

Von Kameras überwacht

„Über die Arbeiter wird verfügt wie über Leibeigene“, sagte Wallraff der Nachrichtenagentur dpa in Köln. Aus Zuschriften von Betroffenen gehe hervor, dass diese von Kameras überwacht, schon bei kleinen Verschnaufpausen zum Vorgesetzten zitiert würden und mit Repressalien rechnen müssten. In Einzelfällen durften Wallraff zufolge Medikamente, die etwa Diabetiker brauchten, nicht mit ins Lager genommen werden.

Amazon war in den vergangenen Tagen in die Schlagzeilen geraten, weil eine ARD-Dokumentation über schlechte Arbeitsbedingungen von Saisonarbeitern aus dem Ausland bei dem Versandhändler in Deutschland berichtet hatte. Amazon hatte angekündigt, die Vorwürfe zu prüfen.

Tausende Facebook-Mitglieder rufen indes zu einem Kaufboykott bei Amazon auf. „Stellt Eure Mitarbeiter unter fairen Bedingungen ein und ich bestelle auch wieder was!“, fordert ein Facebook-User. Andere Nutzer des Sozialen Netzwerks haben aus Protest gleich ihr Amazon-Konto gelöscht. Die Facebook-Seite „AmazonNeinDanke“ hatte Montagmittag bereits mehr als 2.000 Unterstützer.

Tarifvertrag durchsetzen

Die deutsche Zeitarbeitsbranche will unsaubere Praktiken nicht hinnehmen. „Immer dort, wo illegale beziehungsweise unethische Machenschaften im Zusammenhang mit Zeitarbeitseinsätzen praktiziert werden, distanzieren wir uns ausdrücklich hiervon“, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Interessenverbands Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ), Werner Stolz, am Montag in Münster. Die Mitglieder des Verbands hätten sich einem Ethikkodex verpflichtet und arbeiteten zudem mit einer Schlichtungsstelle zusammen.

Die deutsche Gewerkschaft ver.di kämpft um höhere Löhne für die fest angestellten Beschäftigten Amazons. An den Standorten Leipzig (Sachsen) und Bad Hersfeld (Hessen) hätten erste Gespräche mit dem US-Unternehmen stattgefunden, berichtete der Frankfurter ver.di-Sekretär Bernhard Schiederig am Montag. Man fühle sich stark genug, einen Tarifvertrag durchzusetzen. ver.di verlangt, dass Amazon den Flächentarifvertrag für den Einzelhandel anerkennt. Daraus würden sich deutlich höhere Stundenlöhne ergeben. Bisher orientiere sich das nicht tarifgebundene Unternehmen am Tarifvertrag für die Logistikbranche.

Firmensitz in Steuerparadies

Auch die heimische Interessensvertretung „IG Autorinnen Autoren“ übt harsche Kritik am Online-Händler Amazon: „Amazon ist alles andere als ein Buchhändler, der dem Buch gerecht wird“, heißt es am Montag in einer Aussendung der IG Autoren.

Amazon beanspruche größere Handelsspannen für sich, als sie sonst im Buchhandel üblich sind, schreibt Gerhard Ruiss, Geschäftsführer der IG Autoren Autorinnen. „Seit einiger Zeit“ sei bekannt, dass Amazon Niedrigstpreise auch dadurch ermögliche, dass der Firmensitz in ein Steuerparadies verlegt wurde, „also durch die Nichtentrichtung von Steuern, mit denen andere zur Finanzierung der allgemein notwendigen Aufgaben beitragen“.

Inklusive dem aktuellen Vorwurf der schlechten Bezahlung von Leiharbeitern meint Ruiss: „Die Preise und Konditionen von Amazon entstehen also genauso durch steuerliche Umgehungen wie durch Lohndumping bzw. modernes Arbeitssklaventum“. Und weiter: „Amazon umgeht und unterhöhlt systematisch alle Regeln und Gesetze“. Die Anstrengungen von Amazon zur Durchsetzung seines E-Books Kindle habe die IG Autoren Autorinnen „bisher nur für eine besonders aggressive Art des Marketing und der Öffentlichkeitsarbeit zur Verdrängung der Konkurrenz gehalten, inzwischen wissen wir, hinter dieser Vermarktung und PR steckt eine finstere Realität der Ausbeutung von Menschen und Ressourcen“. (APA/dpa)

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