Österreichs Oscar-Kandidaten

Die Oscars im Blick und Hollywood im Nacken

Michael Haneke inszeniert Mozart in Madrid und Christoph Waltz killt römische Soldaten im US-Fernsehen: Österreichs Oscar-Kandidaten bereiten sich auf die Preisverleihung vor.

Innsbruck –In den späten 1970er-Jahren blickte der österreichische Filmproduzent Veit Heiduschka für einige Zeit der Hollywood-Legende Blake Edwards („Frühstück bei Tiffany“, „Der rosarote Panther“) über die Schulter und bekam von ihm kurz vor seiner Rückkehr in die Heimat eine Warnung mit auf den Weg. „Wenn du jetzt nach Österreich gehst, um Actionfilme zu machen, erwürg‘ ich dich. Orientiere dich an Sigmund Freud! Der war auch Wiener. Mach psychologische Filme und der Erfolg wird kommen.“

Ein paar Jahre später lernte Heiduschka den Filmemacher Michael Haneke kennen. Dessen Projekte wurden von den einschlägigen Förderstellen regelmäßig abgelehnt. Zu abseitig. Zu verstörend. Zu unkommerziell. Gemeinsam stemmten Heiduschka und Haneke 1989 den „Siebten Kontinent“ und legten damit den Grundstein für das, was man mittlerweile – ganz ohne falschen Stolz – als österreichisches Kinowunder bezeichnen kann. Mit „Benny‘s Video“ (1992), „71 Fragmente einer Chronologie des Zufalls“ (1994) und dem kontrovers diskutierten „Funny Games“ (1997) stieg Haneke rasch zu einem der führenden Regisseure des europäischen Films auf.

Für die Jelinek-Adaption „Die Klavierspielerin“ erhielt er 2001 den großen Preis der Jury beim Festival von Cannes, der in französischer Sprache gedrehte Film „Caché“ (2005) wurde mit fünf europäischen Filmpreisen (darunter bester Film und beste Regie) ausgezeichnet und mit „Das weiße Band“ ging Haneke 2010 erstmals ins Rennen um den Auslandsoscar, allerdings nicht für Österreich, sondern für Deutschland – und ging leer aus. Haneke weiß also, was ihn am kommenden Sonntag in Los Angeles erwartet. Insgesamt fünfmal ist sein Sterbedrama „Amour“ nominiert, Haneke selbst darf sich Hoffnungen auf vier Auszeichnungen (Film, Originaldrehbuch, Regie und nicht-englischsprachiger Film) machen – seine Protagonistin Emmanuelle Riva ist zudem als beste Hauptdarstellerin nominiert.

Trotzdem, sagt Heiduschka im Gespräch mit der TT, sei bislang weder Nervosität noch Oscar-Euphorie ausgebrochen. „Michael freut sich über die Anerkennung, aber für mehr hat er momentan keine Zeit.“ Im Madrider Teatro Real gehen schließlich die Arbeiten an Hanekes zweiter Opern-Inszenierung „Così fan tutte“ in die letzte Runde. Am Samstag wird Premiere gefeiert – ohne den Regisseur. Der sitzt dann bereits in seinem Hotel in Los Angeles und absolviert den finalen Interviewmarathon. Und das mache ihn viel nervöser als die Oscar-Verleihung, sagte Haneke gestern im Rahmen einer Pressekonferenz in Madrid. „Hier kann noch einiges schiefgehen, während die Oscars schon entschieden sind.“ (siehe unten)

Vielleicht findet der 70-Jährige trotzdem noch Zeit, um sich Gedanken über mögliche Dankesreden zu machen. Eine sollte er auf alle Fälle griffbereit haben – dass „Amour“ als bester nicht-englischsprachiger Film ausgezeichnet wird, gilt bei Buchmachern als ausgemachte Sache. In den anderen Kategorien, wo Haneke mit Hollywood-Giganten wie Steven Spielberg und Quentin Tarantino konkurriert, ist er freilich Außenseiter.

Im Hinblick auf eine mögliche Dankesrede muss man sich bei Christoph Waltz keine großen Sorgen machen. Der 53-Jährige hat bereits vor drei Jahren, als er für seine Nebenrolle in „Inglourious Basterds“ seinen ersten Oscar überreicht bekam, bewiesen, wie wohl er sich auf der Bühne des Dolby Theatre fühlt. Zuletzt rührte Waltz noch kräftig die Werbetrommel für sich und den Sklaven-Western „Django Unchained“. Mitte Jänner war er beim US-Late-Night-Talker Conan O‘Brien zu Gast und schwärmte – schwer gezeichnet von einer kurzen Nacht – von Quentin Tarantinos Qualitäten als Filmemacher und Schnapstrinker. Am Wochenende war er Gastmoderator der legendären Comedy-Show „Saturday Night Life“. Dort zog er alle Register seiner Verwandlungskunst. Für einen Sketch schlüpfte er in die Rolle des pensionierten Papstes und als „(D)jesus UnCrossed“ nahm er an jenen Römern, die ihn einst ans Kreuz nagelten, blutige Rache. Für Waltz‘ Auftritt hagelte es Kritik aus konservativen Kreisen. Seiner Popularität tat das aber keinen Abbruch. Im Internet sind die Clips der Show bereits Kult.

Seit Waltz im Jänner dieses Jahres mit dem Golden Globe als bester Nebendarsteller ausgezeichnet wurde, gilt er auch als Oscar-Favorit. Aber das ist noch lange kein Grund, seine Konkurrenten zu unterschätzen, denn auch die vier anderen Nominierten haben bereits bewiesen, dass sie zu oscar-reifen Auftritten taugen. Alle wurden schon einmal mit dem Academy Award ausgezeichnet. Alan Arkin und Tommy Lee Jones triumphierten als Nebendarsteller („Little Miss Sunshine“, 2007, bzw. „Auf der Flucht“, 1994), Philip Seymour Hoffman als Hauptdarsteller in „Capote“ (2006) und Altstar Robert De Niro wurde sogar zweimal ausgezeichnet: 1974 für „Der Pate II“ und 1981 für „Wie ein wilder Stier“.

Trotzdem darf Österreich in der Nacht auf Montag hoffnungsfroh nach Los Angeles blicken, denn auch wenn österreichische Actionfilme wenig erfolgversprechend sein mögen, österreichische Schauspieler in amerikanischen Kracher, haben sich bereits vor drei Jahren bewährt. (jole)

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