Pferdefleisch

Neue Spuren gefunden, aber kein Rückgang bei Fertig-Essen

Der Betrug mit falsch deklariertem Fleisch betrifft nun auch einen Markenprodukt-Hersteller. Mit Produkten der Marke Buitoni hat es den Nestlé-Konzern erwischt.

Berlin – Auch der weltgrößte Lebensmittelkonzern Nestlé hat nicht deklarierte Anteile von Pferdefleisch in Tiefkühlprodukten entdeckt. Dabei gehe es um Zulieferungen aus Deutschland, teilte der Schweizer Weltkonzern mit. In Italien und Spanien seien deshalb zwei Nudelprodukte vom Markt genommen worden. Zudem meldete am Dienstag der Schweizer Ableger der Supermarktkette Lidl die Rücknahme von Produkten, in denen Pferdefleisch gefunden wurde.

Nestlé erklärte, die betroffenen Produkte seien aus Fleisch eines niedersächsischen Produzenten hergestellt worden. Der Anteil von Pferdefleisch in den Produkten „Buitoni Beef Ravioli“ und „Beef Tortellini“ habe bei mehr als einem Prozent gelegen. Sie seien bereits vom Markt genommen worden.

Trotz des Skandals wollen die österreichischen Handelsketten „derzeit keine Änderungen im Kaufverhalten“ feststellen, wie es etwa von Spar zur APA hieß. Von Rewe (Billa, Merkur, Adeg, Sutterlüty) und Hofer verlautete selbiges.

Immer mehr Firmen betroffen

Lidl Schweiz teilte mit, bei eigenen Untersuchungen der Artikel „Combino“ Penne Bolognese des deutschen Herstellers Copack (Bremerhaven) und „Coquette“ Ravioli Bolognese des französischen Herstellers William Saurin sei Pferdefleisch festgestellt worden. Die Produkte seien „im Sinne des vorbeugenden Verbraucherschutzes“, aus dem Verkauf genommen worden.

Am Montag hatten Schweizer Supermärkte bereits sieben andere Produkte aus den Regalen genommen, die undeklariertes Pferdefleisch enthalten sollen. Die liechtensteinische Firma Hilcona, die die betroffenen Erzeugnisse hergestellt hatte, erklärte, die verwendete Rohware sei von ihrem bisherigen Hackfleisch-Lieferanten Vossko in Ostbevern (Nordrhein-Westfalen) gekommen.

Laut Handel kein Rückgang bei Fertig-Essen

Die Realität hat der heilen Werbewelt der heimischen Handelsriesen einen Strich durch die Rechnung gemacht, wie der Skandal rund um als Rind getarntes Pferdefleisch in Europa zeigt. Trotzdem wollen die Handelsketten „derzeit keine Änderungen im Kaufverhalten“ feststellen, wie es etwa von Spar zur APA hieß. Von Rewe (Billa, Merkur, Adeg, Sutterlüty) und Hofer verlautete selbiges.

Auch bei Lidl, wo zwei Produkte mit Pferdefleisch aus den Regalen genommen wurden, „glauben wir nicht an einen großen wirtschaftlichen Schaden“, sagte Hansjörg Peterleitner. Die Frequenz am Tiefkühlregal sei auch bei Lidl nicht gesunken, grundsätzlich liege der Fokus auch nicht auf Tiefkühl-Fertigprodukten.

„Ein merkbarer Rückgang bei Tiefkühlprodukten wurde bisher nicht verzeichnet“, hieß es von Hofer. Eine Spar-Sprecherin erklärte zu den Auswirkungen auf das Kaufverhalten der Kunden, dass es dabei „immer eine Art ‚Reaktionsverzögerung‘ gibt. Es dauert immer Tage, bis man das bei den Verkäufen merkt.

Der Rewe International AG liege eine Bestätigung von allen Eigenmarkenherstellern, die das Unternehmen mit Produkten beliefern, die Faschiertes enthalten, eine Bestätigung vor, die den Einsatz von Pferdfleisch ausschließe, hieß es aus der Rewe-Zentrale. Zusätzlich würden Proben von Eigenmarkenprodukten vorsorglich in externen Labors untersucht und es sei kein Pferdefleisch gefunden worden, sagte eine Sprecherin zur APA.

Regierung will EU-weit mehr Lebensmitteltransparenz

Die Regierung will angesichts des Skandals innerhalb der EU verstärkt Stimmung für Transparenz bei der Lebensmittelkennzeichnung machen. „Ich bin fest davon überzeugt, dass die Konsumenten wollen, dass man aus diesem Schaden klug wird“, sagte Bundeskanzler Werner Faymann (S) am Dienstag im Pressefoyer nach dem Ministerrat. Auch Vizekanzler Michael Spindelegger (V) pochte auf stärkere Kontrollen. Es brauche eine transparente Herkunftskennzeichnung sowie eine EU-weite Datenbank für Produkte, so die Position Österreichs.

Man werde deshalb den Druck für solche Maßnahmen innerhalb der EU „beibehalten und erhöhen“, kündigte Gesundheitsminister Alois Stöger (S) an, der vor allem bei bearbeiteten Lebensmitteln - das Pferdefleisch war ja in Fertiggerichten gefunden worden - Handlungsbedarf sieht. Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (V) bekräftigte seine Forderung nach einem „Reisepass für Lebensmittel.“ Es brauche eine „klare Herkunftskennzeichnung“, was er beim Agrarministerrat kommende Woche in Brüssel auch vorschlagen werde.

Wiens Marktamt zog bisher 33 Proben, eine war positiv

Seit Bekanntwerden des Skandals um die Pferdefleischfunde in Fertig- und Tiefkühlgerichten ist das Wiener Marktamt im Dauereinsatz. Momentan nehmen die 80 Lebensmittelinspektoren Fertigprodukte, Frischfleisch und seit kurzem auch Kebabfleisch unter die Lupe. Bis gestern, Montag, seien 33 Proben gezogen worden, informierte ein Sprecher im APA-Gespräch am Dienstag. Die Hälfte davon sei bisher untersucht worden, eine war positiv.

Dabei handelt es sich um das bereits zweite positive Untersuchungsergebnis für Rindfleisch-Tortelloni der Liechtensteiner Firma Hilcona, die unter der Handelsmarke Gusto firmiert, das über den Diskonters Lidl verkauft wurde. Die Wiener Probe stammte jedoch aus einer anderen Charge als jene Probe, in der bereits in der vergangenen Woche ein nicht deklarierter Anteil an Pferdefleisch gefunden worden war.

Da Lidl bereits nach Bekanntgabe des ersten Ergebnisses das gesamte Sortiment aus dem Regal genommen hatte, seien keine Maßnahmen notwendig gewesen, so der Sprecher.

Bisher 24 positive Proben in Deutschland

Bei der Fahndung nach nicht deklarierten Pferdefleisch-Anteilen in Lebensmitteln sind laut Bundesverbraucherministerium in Deutschland bisher 24 Proben positiv getestet worden. Dies betreffe Fälle in Hamburg, Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen, sagte ein Ministeriumssprecher am Dienstag. Dies sei der Zwischenstand nach 360 amtlichen DNA-Analysen in den Ländern, es dürften noch viele weitere Ergebnisse hinzukommen.

Für ein breites Bild würden nicht nur Fertiggerichte und Schlachtbetriebe, sondern auch Großküchen wie Kantinen untersucht. Wo im europäischen Skandal Hauptverursacher und Mitverursacher säßen, sei noch nicht zu sagen.

Das volle Ausmaß des Skandals um Fertigprodukte, die entgegen den Verpackungsangaben Pferdefleisch enthielten, ist bislang nicht klar. Die Untersuchungen sind umfangreich, da an der Produktion viele Unternehmen beteiligt sind und diese in mehreren EU-Ländern ihren Sitz haben. Bis zum fertigen Produkt haben die Waren oft mehrere Ländergrenzen passiert. (APA, dpa)

Verwandte Themen