„Ich erzähl‘ mir meine eigene Welt“
Zurzeit erobert Felicitas Hoppes „Johanna“ die Bühne des Kellertheaters und die Autorin ließ es sich nicht nehmen, auch ihr aktuelles Buch dort zu präsentieren. Die TT traf die Büchner-Preisträgerin zum Gespräch.
In Ihrem Roman „Hoppe“ heißt es an einer Stelle, dass die Protagonistin, eine gewisse Felicitas Hoppe, eine „bis zur Selbstverleugnung zuvorkommende Interviewpartnerin“ sei. Aber in „Hoppe“ ist nichts, was es scheint...
Felicitas Hoppe: Der von Ihnen zitierte Satz trifft auch auf die reale Hoppe zu, keine Sorge. Er ist wie viele Sätze im Buch zugespitzt, enthält aber viel Wahrheit über mich. Natürlich gibt es ein Moment der Ironie. Er drückt aber auch eine wahrhaftige Sehnsucht nach Harmonie aus, von der sowohl die Hoppe im Buch als auch die im wirklichen Leben weiß, dass sie sich kaum erfüllen lässt. Im Schreiben verschleiere ich schon mal, aber in Gesprächen bin ich bereit, Auskunft zu geben. (lacht)
Es gilt also, um noch einen Satz aus „Hoppe“ aufzugreifen, nicht nur für Familienmitglieder, sondern auch für Journalisten das gesprochene Wort?
Hoppe: Absolut. Alles was ich jetzt sage, entspricht meines Wissens der Wahrheit.
Wie kamen Sie auf die Idee, eine fiktive Autobiographie, eine – in Ihren Worten – „Traumbiografie“ zu schreiben?
Hoppe: Nach meinem letzten Roman „Johanna“ fragte mich ein Leser, worüber man nach der Jungfrau von Orleans noch schreiben könne. Und ich sagte, zugegebenermaßen etwas forsch: „Über mich“. Das hat mich dann zu beschäftigen begonnen. Der erste Versuch war traditionell, ich wollte „ich“ sagen, aber das hat nicht funktioniert. Mit dem Wechsel in die dritte Person merkte ich, dass ich begann, mich an meine Kindheit zu erinnern und plötzlich tauchten die Muster der Träume und Fantasien, die mich damals bewegten, auf – und ich fand mich in dieser „Wunschbiografie“ wieder. Schon als Kind hatte ich den Willen, mir eine eigene Welt zu erschaffen. Das mag eine Fluchtwelt gewesen sein, ein Selbstbehauptungsgestus. Jetzt 40 Jahre später ist literarisch aufgegangen, was mich schon als Siebenjährige angetrieben hat: Ich erzähl‘ mir meine eigene Welt. Aber es gab keinen Masterplan für „Hoppe“.
Sondern?
Hoppe: Das Buch entwickelte sich. Ich hatte einen Ausgangspunkt, dazu gesellten sich nach und nach inspirierende Außenfaktoren. Ich fand ein tolles Foto des jungen Wayne Gretzky und dachte: Klar, Wayne ist in Kanada. Da muss ich auch hin. Außerdem gab es eine vage Vorstellung, wie das Buch enden sollte.
Springen wir vom Ende zurück an den Anfang. Dort findet sich der originale Wikipedia-Eintrag zu Felicitas Hoppe.
Hoppe: Wie wir wissen, gilt bei Wikipedia auch täglich ein anderes Wort. Es kann permanent umgeschrieben werden.
„Hoppe“ erinnert an einen umgeschriebenen Wikipedia-Eintrag...
Hoppe: So habe ich das noch nicht gesehen, aber, ja, das beschreibt den Text ziemlich gut. Es ist mir wichtig zu unterstreichen, dass die Hoppe-Figur ich bin, auch wenn sie sich in einer Traumwelt bewegt. Es lässt sich doch nicht leugnen, dass Wünsche, Träume und Albträume unser Leben genauso bestimmen wie die Fakten.
Kostete es keine Überwindung, unter dem Deckmantel der Fiktion so viel Persönliches preiszugeben?
Hoppe: Es gibt Passagen im Buch, die mich selbst erstaunten. Ich bin mir und meiner Verfasstheit sehr nahe gekommen. Es gab Momente, da saß ich am Tisch und schrieb und plötzlich standen da Sätze, die sich nicht wirklich gut anfühlten. Was sich aber gut anfühlte, war, dass sie da standen.
Im Oktober vergangenen Jahres sind Sie mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet worden. Bestätigung oder Belastung?
Hoppe: Das kann ich eigentlich noch gar nicht sagen. Sicherlich war es gewöhnungsbedürftig. Ich war stolz und glücklich über den Preis, aber natürlich hat sich mein Status verändert. Jetzt heißt es: „Aha, da kommt die Büchner-Preisträgerin.“ Man muss lernen, damit umzugehen. Aber es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass mich die Auszeichnung nicht bestärkt hätte.
Haben Sie davor an Ihren Texten gezweifelt?
Hoppe: Ich unterscheide zwischen Qualität und Relevanz. Relevanz steht in ihrer Zeit. Haben meine Texte für andere Leser dieselbe Bedeutung, die sie für mich haben? Und diese Frage lässt sich durch eine Beglaubigung wie diesen Preis vorübergehend beantworten.
Der Tiroler Elmar Drexel hat eine Bühnenfassung ihres „Johanna“-Romans erstellt, die zurzeit erstmals im Innsbrucker Kellertheater gezeigt wird. Wie haben Sie reagiert, als Drexel Ihnen dieses Unterfangen vorschlug?
Hoppe: Ich war begeistert. Auch weil ich selbst während des Schreibens an „Johanna“ immer wieder an die Bühne dachte.
Machte es Ihnen keine Probleme, Ihren Text aus der Hand zu geben?
Hoppe: Mein Text verschwindet ja nicht, sondern inspiriert einen anderen. Ich hätte auch kein Problem damit, wenn „Johanna“ irgendwann nur mehr das Buch zum Stück ist.
Haben Sie den Prozess der Bearbeitung begleitet?
Hoppe: Ich war gespannt. In den vier Jahren, in denen Elmar an dem Stoff gearbeitet hat, hat er mir vielleicht drei E-Mails geschrieben. Die habe ich beantwortet. Ich habe also ein bisschen zugeflüstert, aber eingemischt habe ich mich nicht.
Das Gespräch führte Joachim Leitner