Korruption und Lauschangriffe: Welle von Skandalen in Spanien
In der „Debatte zur Lage der Nation“ wollte Spaniens Premier Rajoy eigentlich die Erfolge seiner Sparpolitik herausstellen. Eine Serie von Skandalen macht ihm jedoch einen Strich durch die Rechnung. Nun wird wohl vor allem über Korruption gesprochen werden.
Von Hubert Kahl
Madrid – König Juan Carlos geht an Krücken und muss sich möglicherweise erneut operieren lassen. Das spanische Königshaus läuft Gefahr, in den Sog eines Finanzskandal zu geraten, in den der Schwiegersohn des Monarchen verwickelt ist. Die großen Parteien werden von einer Welle von Korruptionsaffären erschüttert. Und in Barcelona wurde ein Abhörskandal aufgedeckt, dessen Ausmaße nicht absehbar sind.
Das Euro-Krisenland Spanien präsentiert sich zur „Debatte über die Lage der Nation“, die an diesem Mittwoch im Parlament eröffnet wird, in einem beklagenswerten Zustand.
Korruption statt Aufschwung als Thema
„Das wird eher eine Debatte über die Lage der Korruption werden“, argwöhnt die Zeitung „El País“. Dabei hatte Ministerpräsident Mariano Rajoy den Spaniern eigentlich Hoffnung machen wollen, dass es dank seiner Sparpolitik mit der Wirtschaft des Landes bald wieder aufwärtsgehen werde. Nun aber dürften die Korruptionsskandale in den Mittelpunkt rücken.
Die regierende Volkspartei (PP) steht im Zentrum einer großen Finanzaffäre, die bis heute Wellen schlägt. Die Zeitung „El País“ hatte Aufzeichnungen veröffentlicht, die das Blatt dem früheren PP-Schatzmeister Luis Bárcenas zuschrieb und aus denen hervorgehen soll, dass führende PP-Politiker jahrelang Geld aus schwarzen Kassen erhalten haben. Rajoy wies den Vorwurf zurück mit den Worten: „Das ist alles falsch, mit Ausnahme von ein paar Dingen.“ Er gab aber nicht preis, was er mit „ein paar Dingen“ meinte.
Was hat Bárcenas in der Hand?
Was die Spanier skeptisch macht, ist der Umgang Rajoys und der PP mit dem früheren Schatzmeister. Obwohl die Justiz seit Jahren gegen Bárcenas wegen eines anderen Korruptionsskandals ermittelt und der Ex-Politiker 20 Millionen Euro unbekannter Herkunft auf Schweizer Konten transferiert haben soll, behandelt die PP ihn sorgsam wie ein rohes Ei. Bis Ende 2012 bekam der ehemalige Schatzmeister von der Partei Geld und durfte ein Büro in der Parteizentrale nutzen. Viele Spanier fragen sich daher: Hat Bárcenas etwas gegen führende PP-Politiker in der Hand? Fürchten die Konservativen, dass ihr Ex-Finanzchef auspacken könnte?
„Spanien darf nicht von einem Ministerpräsidenten regiert werden, dessen Schicksal von einem Bárcenas abhängt“, meinte Oppositionschef Alfredo Pérez Rubalcaba. Aber seine Sozialisten (PSOE) sind in den Augen der Wähler keine Alternative, denn auch sie können sich von Skandalen nicht freimachen. In Andalusien, das seit Jahrzehnten von der PSOE regiert wird, verschwanden Arbeitslosengelder in dunklen Kanälen. In einer anderen Schmiergeldaffäre steht Ex-Verkehrsminister José Blanco, einst ein Schwergewicht in der PSOE, in Verdacht.
Wer gab Lauschangriff in Auftrag?
Zur Korruption kam ein Abhörskandal hinzu. Ein Detektivbüro in Barcelona soll zahlreiche Politiker belauscht haben. Der Chef der Detektei und drei Mitarbeiter wurden festgenommen. Bisher ist nicht klar, wer die Auftraggeber und wer die Opfer waren. In der Presse wurde spekuliert, es könne gar Spaniens Innenminister Jorge Fernández Díaz bei einem Treffen mit Polizeichefs abgehört worden sein. Das Ministerium betonte jedoch, dafür gebe es keine Indizien.
Die Skandale machen auch vor dem Königshaus nicht halt. Iñaki Urdangarin, der Schwiegersohn des Monarchen, steht im Verdacht, als Präsident einer gemeinnützigen Stiftung Millionensummen von Steuergeldern veruntreut zu haben.
„Die Lage ist explosiv“
Ein mutmaßlicher Komplize versucht, das Königshaus in die Affäre hineinzuziehen. Er legte dem Ermittlungsrichter eine Reihe von E-Mails vor, die darauf hinzudeuten scheinen, dass die Geschäfte Urdangarins dem König nicht ganz unbekannt waren. Das Königshaus hüllt sich dazu bislang in Schweigen.
„Die Lage der Nation ist explosiv“, schrieb die Kolumnistin Lucía Méndez in der Zeitung „El Mundo“. „Die rasant sich ausbreitende Armut in der Bevölkerung hat in Kombination mit der politischen Korruption das System an den Rand des Abgrunds gebracht. Das Ansehen der Parteien ist so schlecht wie nie zuvor.“ (dpa)