„Ich habe geweint, weil sie geweint hat!“
Plötzlich Oscar-Anwärterin: Mit ihrer Rolle in „Les Misérables“ ist Anne Hathaway wieder einmal in aller Munde.
Berlin –Ob als Blaublüterin wider Willen („Plötzlich Prinzessin“), als sanftmütige Weiße Königin („Alice im Wunderland“) oder als emsige Assistentin („Der Teufel trägt Prada“) – die 30-jährige Anne Hathaway macht einfach in all ihren Rollen eine gute Figur. Der Ritterschlag im Filmbusiness, die Auszeichnung mit dem Oscar, blieb jedoch bis dato aus. Das könnte sich heute Nacht aber recht schnell ändern, ist die gebürtige New Yorkerin doch für ihre Rolle als bitterarme Arbeiterin Fantine im Streifen „Les Misérables“ für den Oscar nominiert.
Eine Rolle, die für Sie eine echte Herausforderung war. Wieso das?
Anne Hathaway: Erst hatten sie mich für verschiedene Frauenfiguren angedacht, doch für die war ich nicht jung genug. Nur für die Fantine ging es sich gerade aus. Ich bat Regisseur Tom Hooper: „Bitte, lass mich dafür vorsingen!“ Er sagte mir zu. Als ich ins Studio ging, na ja ... Kennen Sie das Gefühl, wenn der ganze Körper unter Strom steht, wenn Bauch und Magen rebellieren? Jedenfalls gab ich alles, was ich nur geben konnte. Und dann hatte ich die Rolle.
Wohl auch, weil Sie Hooper zum Weinen gebracht hatten – und im Film selbst weinen. Echt.
Hathaway; Das Schicksal der entlassenen Fabriksarbeiterin Fantine, die sich für ihr Kind prostituieren muss, hat mir buchstäblich das Herz zerrissen. Ich habe geweint, weil sie geweint hat. Und in den Drehpausen war ich wütend, weil das keine Geschichte aus grauer Vorzeit ist. Nein, das gibt es noch heute überall auf der Welt.
Doch auch daheim gab es noch Tränen, und zwar, als Sie den fertigen Film mit Ihrem Ehemann zum ersten Mal sahen.
Hathaway: Er hatte Tränen in den Augen. Und ich Wut. Es gibt übrigens zwei Versionen meines Liedes. Eine sanfte, zerbrechliche, die sie in einem Trailer verwendeten, und die zornige. Im Film, da war ich mir mit Tom Hooper einig, musste es die zornige sein.
Die Rolle der Fantine hat für Sie ja auch etwas Schicksalshaftes an sich. Bereits Ihre Mutter, eine in den USA bekannte Bühnenschauspielerin, hatte sie schon vor einigen Jahren gesungen.
Hathaway: Anfangs war sie in dieser Produktion nur ein Mädchen, das Fantine mitteilte, dass sie entlassen war. Auf einmal ein Anruf, dass meine Mutter ab sofort als Fantine besetzt sei. War das ein Jubel! Die ganze Familie pilgerte nach Philadelphia, um sie zu sehen, und für mich war das ein Moment, den ich nie vergessen habe.
Bekannt wurden Sie 2001 mit der Komödie „Plötzlich Prinzessin“. Was ging in Ihnen vor, als eines Morgen plötzlich die Zusage für die Rolle der jungen Amelia kam?
Hathaway: So müde konnte ich gar nicht sein. Ich sprang auf und tanzte wie wild auf meinem Bett herum.
Was darauf folgte, ist Geschichte: Mit Filmen wie „Brokeback Mountain“, „Beste Feindinnen“ oder „The Dark Knight Rises“ feierten Sie einen Erfolg nach dem anderen. Laut eigenen Aussagen wurden Sie dabei vor allem von Schauspielkollegin Meryl Streep in „Der Teufel trägt Prada“ inspiriert. Wieso das?
Hathaway: Sie ist eine öffentliche Person, dennoch bleibt ein Geheimnis. Was die anderen machen, sagt sie, können wir nicht kontrollieren, aber uns selbst können wir kontrollieren – mit dem, was wir sagen und nicht sagen. Also werden Sie mich kaum je in den Schlagzeilen der Skandalblätter finden. Ich bin glücklich, dass ich in einer normalen Familie normal aufwachsen konnte.
Momentan liegt Ihnen die Welt zu Füßen. Kann man sich auf dem Ruhm auch einmal ausruhen?
Hathaway: Das kann oft nur fünf Minuten dauern. Was wirklich zählt, ist, dass du geliebt wirst.
Am 24. Februar werden bekanntlich die Oscars vergeben. Sie sind heuer mit Ihrer Rolle in „Les Misérables“ als beste Nebendarstellerin nominiert. Was erhoffen Sie sich von dem Abend?
Hathaway: Natürlich würde ich mich sehr freuen, wenn ich den Oscar kriege. Wenn nicht, geht das Leben auch weiter. Wünsche und Hoffnungen werden bleiben. Und: Ich habe ja auch noch meinen Mann.
Das Interview führte Ludwig Heinrich