Schlierenzauer: „Das Leben ist gut“
Gregor Schlierenzauer sagt, er habe sich eine WM-Medaille verdient. Von der Bezeichnung Superstar will das 23-jährige Skisprung-Ass aus Fulpmes nichts wissen. Seiner Meinung nach haben andere ein Anrecht darauf.
Welche Art von WM erwarten Sie in Val di Fiemme?
Schlierenzauer: Ich lasse mich überraschen. Aber jede Weltmeisterschaft hat etwas besonderes. Oslo vor zwei Jahren war von der Stimmung einzigartig, das wird es so schnell nicht mehr geben. Italien ist nicht die Skisprung-Hochburg, deswegen können es aber genauso gute Wettkämpfe werden.
Was wollen Sie erreichen, damit Sie von einer erfolgreichen WM sprechen.
Schlierenzauer: Das kommt auf die Situation an. Ich kündige im Vorhinein nicht an, wie viele Medaillen ich haben will. Man muss als Top-Favorit immer ein Medaille machen. Aber bei meiner heurigen Saison hätte ich mir auf jeden Fall eine Einzelmedaille verdient. Die Farbe ist mir egal. Dazu muss neben den Sprüngen auch das Quäntchen Glück passen.
Warum müssen Sie eine Medaille machen?
Schlierenzauer: Wenn man meine Saison anschaut, dann werden sehr viele auf mich setzen. Aber deswegen bekomme ich keinen halben Meter geschenkt, nur weil ich Schlierenzauer heiße. Es muss passieren.
Sie sind der einzige im Hoch befindliche ÖSV-Adler. Wie sehen Sie die Chancen auf eine Mannschaftsmedaille?
Schlierenzauer: Wir sind dieses Mal sicher nicht die Top-Favoriten. Einige von uns tun sich leider noch ein bisschen schwer. Aber im Skispringen kann es sehr schnell gehen, weil es eine sehr sensible Sportart ist. Unser großes Plus ist: Wir haben extrem viel gewonnen in den letzten Jahren. Wir sind alle Routiniers und das werden wir umsetzen. Und wenn jeder die bestmögliche Leistung abruft, dann erhoffe ich mir eine Teammedaille.
Sie sprechen immer davon, so locker wie noch nie zu sein. Können Sie diese Lockerheit mit in die WM nehmen?
Schlierenzauer: Natürlich bin ich angespannter als bei Weltcup-Bewerben. Aber ich glaube, ich habe die nötige Ruhe und die Gelassenheit, um die Stimmung aufzusaugen und das Ganze genießen zu können.
Sind Sie ein Genussmensch?
Schlierenzauer: Ja. Es gibt andere, die ein gutes Essen nicht genießen können und nicht gerne wo gemütlich sitzen. Ich schätze es, gewisse Dinge zu haben und zu genießen.
Um etwas genießen zu können, braucht man Zeit. Bei Ihnen folgt jedoch schon seit Längerem ein Termin und Erfolg dem anderen. Wie können Sie das verarbeiten?
Schlierenzauer: Ich schaffe es, indem ich mal aus dem Sportlerleben ausbreche, mir Zeit für mich nehme, bei der Familie bin. Dann denkt man darüber nach und begreift es. Mein Weg war immer der, auch mal etwas auszulassen, wieder Kraft zu schöpfen. Skispringen ist eine Sportart, die sehr viel im Kopf abläuft. Natürlich ist es da wichtig, die innere Balance zu haben und zufrieden zu sein. Wenn du etwas nicht verdaust, dann bist du nicht gelassen. Wenn alles im Lot ist, tritt man anders auf. Viele sprechen dann von Selbstvertrauen. Von dem her ist das Leben als Spitzensportler teilweise sehr stressig und durchstrukturiert. Aber dafür hat man auch sehr schöne Momente, die andere in ihrem Leben nie erleben werden. Das muss man in den stillen Stunden schätzen und demütig sein. Und sagen: „Das Leben ist gut.“
Wie definieren Sie gutes Leben für sich als Sportler?
Schlierenzauer: Ich darf mich weltbester Skispringer nennen, aber deswegen bin ich kein Superstar. Ich darf ein Leben führen, das einzigartig ist, das sehr schön ist. Alles, was kommt, ist Draufgabe.
Warum sagen Sie, Sie seien kein Superstar?
Schlierenzauer: Wenn man hart für den Erfolg kämpft, dann will man es nach oben schaffen, dann hat man Vorbilder – seine Stars. Wenn man oben ist, sich in dieser Sportart Star nennen darf, ist man noch lange kein Superstar im Leben. Ich frage immer: „Was ist ein Star?“ Für mich sind Menschen Helden, wenn sie wie Ärzte 24 Stunden transplantieren und damit anderen das Leben retten. Das sind für mich die wahren Helden oder Stars. Sie tun etwas fürs Leben. Wir springen zweimal von der Schanze, jubeln und dürfen uns Tourneesieger oder Weltmeister nennen. Das ist natürlich auch gewaltig, aber es gibt wirklich Wichtigeres im Leben.
Das Gespräch führte Susann Frank