Reportage von Goran Tomasevic

Viele Tote im erbitterten Häuserkampf in Damaskus

Fast zwei Jahre nach Beginn des Aufstandes gegen Assad entwickelt sich Bürgerkrieg immer mehr zu Konflikt zwischen Glaubensrichtungen.

Von Goran Tomasevic / Reuters

Damaskus – Es sind Szenen wie in den Ruinen Beiruts oder Sarajevos: Scharfschützen schauen konzentriert durch ihre Zielfernrohre und versuchen, Gegner zu erspähen - auch wenn es nur ein Auge ist, das durch einen Mauerspalt lugt.

Seit Monaten kämpfen Rebellen und Truppen von Staatschef Bashar al-Assad um die Hauptstadt Damaskus - ohne Aussicht, dass sich eine der Parteien durchsetzt. Manchmal gelingt es Kämpfern, ein oder zwei Häuser einzunehmen. Doch oft werden sie wenig später mithilfe von Scharfschützen, Granaten oder Maschinengewehren wieder vertrieben. In dieser Pattsituation verlieren immer mehr Menschen ihr Leben. Nach UNO-Schätzungen sind in dem Bürgerkrieg landesweit 70.000 Menschen getötet worden.

Die Kämpfer beider Seiten sind diszipliniert. Aber die Soldaten Assads sind besser ausgerüstet, so dass es den Rebellen auf absehbare Zeit kaum gelingen wird, die Stadt einzunehmen. Dabei toben die Häuserkämpfe ganz in der Nähe der Altstadt mit ihren historischen Moscheen, Kirchen und Märkten. Die Bewohner sind aus den Randbezirken geflüchtet: In Mehrfamilienhäusern klaffen nach Granateinschlägen und Luftangriffen große Löcher. Kalter Wind pfeift durch die Ruinen.

Tausende Rebellen verteidigen ihre Stützpunkte - bekleidet mit Skimützen, Kopftüchern und Lederjacken. Viele kommen aus nahegelegenen Dörfern. Manche liefen von Assads Streitkräften über: Fast zwei Jahre nach dem Beginn des Aufstandes gegen den Staatschef entwickelt sich der Bürgerkrieg immer mehr zu einem Konflikt zwischen Glaubensrichtungen. Während Assad und viele seiner Vertraute auch in den Streitkräften der Minderheit der Alawiten angehören, handelt es sich bei den Rebellen überwiegend um Sunniten. Assad wird vom Iran gestützt, auch weil die Alawiten ihre Wurzeln im schiitischen Glauben haben.

Die Rebellen haben in den vergangenen Monaten ihre Angriffe auf die Regierungstruppen im Osten der Hauptstadt verstärkt. Eine der größten Attacken ereignete sich kürzlich im Viertel Irbin, wo Hunderte Kämpfer in verschiedenen Gruppen eine große Kaserne einnahmen. Weil sie keine Uniformen haben, kleiden sich die Männer mit Tüchern in grellen Farben, um sich nicht gegenseitig zu erschießen. Bei dem Angriff in Irbin gelang es mithilfe eines sowjetischen Panzers vom Typ T-72, den Stützpunkt einzunehmen. In den Gebäuden suchten die Kämpfer vor allem nach Waffen, die sie im Kampf gegen Assad verwenden können.

Nach der Einnahme der Kaserne zogen sich die Rebellen noch am Abend zurück, weil sie Luftangriffe durch die Streitkräfte fürchteten. Ein Kommandant berichtete einem Reporter vor Ort, dass 20 der Angreifer ums Leben gekommen und 150 verletzt worden seien.

Unterdessen kämpft die Bevölkerung täglich ums Überleben. Oft gibt es kein fließendes Wasser oder Strom. Einige wenige Geschäfte verkaufen abseits der Kampfgebiete Gemüse oder Fleischkebabs. Und obwohl Bürgerkrieg herrscht, spielen Kinder auf der Straße.

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