Experten im Zwist um mögliche Folgen von Vermögenssteuern
Für Markus Marterbauer, Experte bei der Arbeiterkammer, die Warnungen vor Vermögenssteuern als „an den Haaren herbeigezogen“ nennt, warnt IHS-Chef Keuschnigg vor negativen Effekten auf Investitionen und Wachstum.
Wien – Der Koalitionsstreit um die Vermögenssteuern wird auch auf Expertenebene geführt. Während sich die ÖVP ihren Standpunkt vom Chef des Instituts für höhere Forschung (IHS), dem Tiroler Christian Keuschnigg, argumentativ untermauern lässt, rückte am Mittwoch AK-Experte Markus Marterbauer zur Verteidigung der SP-Linie aus.
Marterbauer hält insbesondere die Warnung vor negativen Standorteffekten von Vermögenssteuern für „an den Haaren herbeigezogen“. Einig sind sich Marterbauer und Keuschnigg lediglich darin, dass eine Vermögenssteuer nicht zur Anhebung der Abgabenquote dienen sollte.
Hohe Belastungen senken
Der AK-Experte betont, dass die Einnahmen aus vermögensbezogenen Steuern dazu verwendet werden sollten, die hohe Belastung der Arbeitseinkommen zu senken. Für Keuschnigg wäre eine Senkung der Lohnnebenkosten aber nur möglich, wenn das Pensionssystem durch ein höheres Antrittsalter entlastet würde.
Völlig unterschiedlich sind die Einschätzungen der volkswirtschaftlichen Folgen: Keuschnigg warnt, dass eine Vermögenssteuer die Rendite der Sparer senken und in Folge die Finanzierungskosten der Unternehmen verteuern würde. Die Folge wären geringere Investitionen und ein (um langfristig 0,65 Prozentpunkte) niedrigeres Wirtschaftswachstum.
Sparanreize in der Krise verzichtbar
Marterbauer gesteht zwar ein, dass eine höhere Vermögensbesteuerung die Sparanreize verringern würde. Gerade in einer Wirtschaftskrise sieht er darin aber keinen Nachteil, weil niedrigere Sparquoten mehr Konsum bedeuten, was wiederum die Wirtschaft ankurbeln würde. Und die von Keuschnigg ins Treffen geführten Finanzierungskosten der Unternehmen würden nicht durch die Sparquote bestimmt, sondern durch die Zinspolitik der EZB.
Unterschiedliche Standpunkte auch in Gerechtigkeitsfragen: Marterbauer argumentiert, dass Arbeitseinkommen mit bis zu 50 Prozent Steuersatz deutlich stärker belastet werden als Kapitaleinkommen (25 Prozent). Nötig wäre aus seiner Sicht daher eine möglichst gleichmäßige Besteuerung von Arbeits- und Kapitaleinkommen. „Da ist noch ein weiter Weg auf die 50 Prozent bei der Einkommenssteuer“, sieht der AK-Experte noch Spielraum für vermögensbezogene Steuern.
Ungleiche Vermögensverteilung „abgefedert“
Keuschnigg verweist dagegen darauf, dass der Sozialstaat einen Gutteil der ungleichen Vermögensverteilung abfedert. Er rechnet den Barwert der Pensionsansprüche in das Vermögen der Österreicher ein und kommt zum Ergebnis, dass das so ermittelte Gesamtvermögen deutlich gleichmäßiger verteilt ist als das reine Finanz- und Sachvermögen (Gini-Koeffizient 0,4 statt 0,69). Die Vermögens-Ungleichheit sei also „kein zwingender Grund“ für eine Vermögenssteuer, so der IHS-Chef. (APA)