Kirche mit neuem Kurs: Deutsche Bischöfe billigen „Pille danach“
Für die katholische Kirche ist es ein großer Schritt, für die Frauen vor allem ein sehr später. Die deutschen Bischöfe haben die „Pille danach“ in allen katholischen Krankenhäusern in Deutschland zugelassen.
Von Birgit Reichert, dpa
Trier - Die katholische Kirche ist auf neuem Kurs. Sie sagt „Ja“ zur „Pille danach“, nachdem das Medikament bisher tabu war. Vor ein paar Jahren noch hätte sich niemand vorstellen können, was am Donnerstag in Trier geschah: Alle deutschen Bischöfe stimmten auf ihrer Vollversammlung der Neuerung zu. Läuten sie damit eine neue, modernere Kirchen-Zeit ein?
Der Anlass für die Bischöfe, stundenlang über die „Pille danach“ zu beraten, war ein furchtbarer: Vor wenigen Wochen war eine vergewaltigte Frau in Köln von zwei katholischen Krankenhäusern abgelehnt worden - eben weil die „Pille danach“ damals nicht erlaubt war und Ärzte deshalb unsicher waren.
Der öffentliche Aufschrei war groß: „Erschreckend und beschämend“ sei der Fall der 25-Jährigen, sagt auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch. Es dürfe nicht sein, dass jemand, der Hilfe brauche, von einer Klinik abgewiesen werde. So wandte sich die Kirche in ihrer Not an die Wissenschaft. Kölns Kardinal Joachim Meisner ließ sich unter anderem vom Ethikrat des Bistums Trier beraten, der bereits seit eineinhalb Jahre mit vielen Wissenschaftlern an dem Thema forscht.
Neue Pillen „moraltheologisch vertretbar“
Und die Wissenschaft wies den Weg. Denn seit neuestem sind „Pillen danach“ auf dem Markt, die nicht abtreiben, sondern eine Befruchtung verhindern. Diese seien moraltheologisch vertretbar, sagt Zollitsch - und folgt damit mitsamt seinen Bischöfen der neuen Linie Meisners, der nach dem Klinikskandal zuerst jene „Pille danach“ in seinem Erzbistum zuließ. Nur jene Medikamente, die einen bereits entstandenen Embryo töten, dürfen auch weiter nicht in katholischen Kliniken gegeben werden.
Die „Pille danach“ für vergewaltigte Frauen zu erlauben ist ein Schritt, der zeigt, dass die katholischen Bischöfe die Zeichen der Zeit zu erkennen scheinen. Wenig beeindruckt zeigte sich die kritische Initiative „Wir sind Kirche“. Mit der Zulassung der „Pille danach“ wolle die Kirche verhindern, dass katholische Kliniken aus der staatlichen Krankenhausfinanzierung herausfallen.
Priesterweihe nur für den Mann
Die Bischöfe machten aber auch deutlich: An manchen Themen lässt die katholische Kirche nicht rütteln, etwa am Priesteramt für Frauen. „Es ist für uns klar: Es kann die Priesterweihe nur für den Mann geben“, sagt Zollitsch. Die Kirche betrachte das als eine „endgültige Entscheidung“, sagt Kardinal Walter Kasper. Und auch die wiederverheirateten Geschiedenen dürfen vorerst nicht darauf hoffen, in einer katholischen Kirche wieder die Kommunion empfangen zu dürfen.
Die schwere Krise, in der sich die Kirche befindet, war bei der Vollversammlung auch außerhalb der Tagungsräume in Trier spürbar: Bei Protestaktionen eines Bündnisses für eine bessere Aufklärung des Missbrauchsskandals oder bei selbstkritischen Tönen mancher Bischöfe in Predigten.
„Der große Vertrauensverlust, der über uns hereingebrochen ist, kommt aus unserem eigenen Versagen als Kirche: die sexuellen Missbräuche und die Abweisung einer vergewaltigten Frau in zwei unserer katholischen Krankenhäuser“, sagt Kardinal Meisner. „Das schmerzt immer besonders, wenn das Unheil vom Inneren der Kirche nach außen geht.“