Ersatz-Eltern erster Klasse
In den meisten Bundesländern Österreichs dürfen homosexuelle Paare ein Pflege-kind aufnehmen. Warum das möglich ist, eine Fremdkindadoption aber nicht, stößt vielen sauer auf. Die Verantwortung ist im Prinzip nahezu dieselbe.
Von Liane Pircher, Alex Plank
Innsbruck –Seit Jahren herrscht praktisch in allen Bundesländern ein Mangel an Pflegefamilien. Ständig sind die Jugendämter auf der Suche nach Menschen, die bereit sind, ein krisengeschütteltes Kind bei sich aufzunehmen. Sich für diese Aufgabe melden und in Kursen ausbilden lassen kann im Prinzip jeder – in vielen Bundesländern auch homosexuelle Paare. Allein in Wien gibt es derzeit 60 gleichgeschlechtliche Paare, die ein oder mehrere Pflegekind(er) betreuen. In Tirol gibt es derzeit ein lesbisches Paar, das den Kurs absolviert hat und seit 2007 ein Mädchen bei sich aufgenommen hat. Das Kind kam mit sechs Monaten zu den beiden Frauen. Weitere Anfragen stehen in Tirol auf der Liste.
Auch wenn es vor Gericht nicht dezidiert so deklariert werden kann: Für die Mehrzahl der Kinder beginnt hier ein Leben in einer neuen Familie. Es bleibt zwar fast immer bei einem Besuchskontakt mit den leiblichen Eltern, selten aber geht es in diese fix zurück: „In der Regel gehen wir von einem Dauerpflegeverhältnis aus, also davon, dass die Kinder über Jahre in der Pflegefamilie bleiben“, sagt Reinhard Stocker-Waldhuber von der Jugendwohlfahrt Tirol.
Auch in Wien heißt es: „Rückführungen in die Herkunftsfamilie gibt es selten, vielmehr ist es Realität, dass diese Kinder in der Pflegefamilie aufwachsen, bis sie groß sind“, so Martina Reichl-Rossbacher von der Stadt Wien. Die Erfahrungen mit homosexuellen Pflegeeltern seien gute. Verglichen mit „normalen“ Pflegeeltern gebe es keine an der sexuellen Orientierung festzumachende Unterschiede: „Im Vergleich zur 08/15-Familie sehen wir keinen Nachteil für das Kind“, sagt Reichl-Rossbacher. Und: „Für uns ist es vor allem wichtig, dass es sich um eine stabile Partnerschaft handelt, um Menschen mit Lebenserfahrung, die eine Belastung aushalten können. Wir schauen, was Paare bieten können, um für ein Kind einen bestmöglichen Platz zu bieten. Die sexuelle Ausrichtung spielt keine Rolle. Wichtig ist hier nur, dass es sich um ein geoutetes Paar handelt, das im Bekannten- und Verwandtenkreis akzeptiert ist. Das spielt für den Alltag mit Kind eine große Rolle“, sagt Reichl-Rossbacher.
Die Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Paare sei mittlerweile gut. Anfangs habe es seitens mancher Herkunftsfamilien durchaus Vorbehalte gegeben – vor allem gegen schwule Männerpaare. Im Laufe der Jahre habe sich für alle gezeigt, dass Homo-Paare verlässliche Partner in Sachen Pflegefamilie sind. Fakt ist aber auch, dass ein Pflegekind für viele eine Notlösung ist. Bei vielen stand anfangs der Wunsch nach einem eigenen Kind: „Wenn es gegangen wäre, hätten wir sicherlich ein Kind adoptiert“, sagt Sandra, die mit ihrer Partnerin zwei Pflegekinder betreut. Worin der große Unterschied zur Adoption besteht, sieht sie nicht: „Kind ist Kind. Und die Verantwortung für ein Pflegekind ist im Alltag dieselbe.“