BMW betreibt Coolness als eine Wissenschaft
Einst Vorreiter, nun Marktführer: Die erneuerte R 1200 GS trifft den Nerv der Kunden – und dafür gibt es zahlreiche technische Gründe.
Von Armin Farkas
Palma de Mallorca –Das Kürzel GS steht für eine Erfolgsgeschichte, die in der Motorradwelt ihresgleichen sucht. Kein anderes Modell hat in seiner Geschichte so viele verschiedene Fahrer angezogen und schließlich überzeugt wie die große Boxer-Enduro von BMW. In Österreich ist sie seit einer gefühlten Ewigkeit das am meisten verkaufte Motorrad der Klasse – und das obwohl sie alles andere als billig ist. Aber es ist nicht der Preis oder die Optik, die so viele Kunden beim BMW-Händler unterschreiben lassen. Es liegt ganz einfach daran, dass die GS bekannt dafür ist, so gut wie alles zu können und dies hat sich auch bei der neuesten Entwicklungsstufe des Bestsellers nicht geändert.
Die Neue ist weit mehr als nur ein Update. Dieses Modell leitet nicht mehr und nicht weniger als den Beginn einer neuen Ära von BMW-Boxermotorrädern ein, denn neben allem anderen ist auch das Herz der GS, der Boxer, eine komplette Neuentwicklung. Statt wie bisher mit Luft und Öl wird der Motor jetzt zusätzlich mit Wasser gekühlt. Es ist eher eine Art Mischung aus Wasser- und Luftkühlung, eine so genannte Präzisionskühlung. Nur die thermisch am höchsten belasteten Teile des Motors wie die Zylinderköpfe und Teile der Zylinder werden mit Flüssigkeit gekühlt, die restlichen Teile weiterhin mit Öl und Luft, das Verhältnis liegt bei 35 Prozent Flüssigkeits- zu 65 Prozent Luftkühlung. Die klassischen Kühlrippen bleiben vorhanden, ohne nur ein Designgag zu sein, außerdem ist es so möglich, das Kühlsystem klein zu halten. So ist die neue Kühlung nur 2,7 kg schwerer als die alte. Optisch fällt auf, dass die Zylinder nun vertikal durchströmt werden, was für Fahrer mit langen Beinen von Vorteil ist, da jetzt mehr Platz hinter den Zylindern ist und man beim Rangieren nicht mehr so schnell mit dem Schienbein anschlägt. 125 PS leistet der Boxer nun, das scheint nicht viel, doch das Drehmoment von 125 Nm bei 6500 Umdrehungen ist schwer zu schlagen.
Die Sitzposition wurde noch mal verbessert, indem man den Knieschluss schmäler gestaltete, der deutlich niedrigere Lenker ist vor allem für kleinere Fahrer von Vorteil. Wo bisher eine Einscheiben-Trockenkupplung ihren Dienst versehen hat, sitzt jetzt eine moderne Mehrscheiben-Ölbadkupplung, die ca. die Hälfte an Kraftaufwand benötigt. Ein großes Plus, vor allem, wenn man stehend fährt und nur einen Finger verwendet. Durch den neuen Motor war es möglich, das Getriebe viel kompakter zu bauen als bisher, wodurch man die Schwinge ein Stückchen länger machen konnte, was insgesamt gute Eigenschaften wie eine etwas geringere Wheelie-Neigung mit sich bringt. Die zweite große Neuerung ist die Umstellung auf Drive by Wire, soll heißen: Das Gas wird elektronisch angesteuert, anstatt von einem Seilzug bedient.
Dies eröffnete BMW viele neue Möglichkeiten. Man kann, auch während der Fahrt, zwischen den Modi Rain, Road, Dynamic, Enduro und Enduro Plus auswählen. Diese beeinflussen die Gasannahme, das ASC (Anti-Schlupf) und das ABS und je nach Ausstattung auch das elektronische Fahrwerk. Für den Enduro-Plus-Modus braucht man aber einen speziellen Stecker, da dieser nur für Stollenreifen gedacht ist, ähnlich dem Slickmodus bei der S 1000 RR. Die Elektronik funktioniert einwandfrei, man könnte sagen fast schon zu gut. In Verbindung mit dem Anti-Schlupf-System verlieren feuchte, kalte Bedingungen wie bei der Präsentation auf Mallorca bei einstelligen Temperaturen sehr schnell ihren Schrecken.
Manchmal ist die neue GS fast schon zu einfach zu fahren, es ist unglaublich, wie leichtfüßig sich ein Bike mit fast 240 kg Trockengewicht auch im Gelände anfühlen kann. Preislich ist die Neue mit 16.950 Euro günstiger als die Alte, denn ABS ist jetzt Serie. Doch Dinge wie LED-Hauptscheinwerfer, dynamisch-elektronisches Fahrwerk, Heizgriffe usw. treiben den Preis schnell in Richtung der 20.000-Marke. Das wird die Fans offensichtlich kaum stören, denn die Auftragslage ist für die ab dem 2. März erhältliche Maschine ausgezeichnet.