US-Außenminister in Berlin

Kerrys erste Europa-Reise als Außenminister hat Symbolwert

John Kerry ist seit ein paar Wochen neuer US-Außenminister. Jetzt muss er erst einmal politisches Terrain markieren und startet eine Europareise.

Von Gregor Waschinski

Washington/Berlin - Immer wieder erzählte John Kerry in den vergangenen Wochen von seiner Kindheit im Berlin der Nachkriegszeit. Die ausgedehnten Radtouren durch die geteilte Stadt vor mehr als 50 Jahren hätten sein heutiges Weltbild geprägt, erklärte der neue US-Außenminister. Auf seiner ersten Reise als Chefdiplomat, die ihn am Dienstag auch nach Berlin führt, kann Kerry seine Erinnerungen auffrischen. Vor allem hat das Reiseziel Europa aber Symbolwert für ein Comeback der transatlantischen Beziehungen in der zweiten Amtszeit von Präsident Barack Obama.

Anekdoten über Zeit in Berlin

An seinem ersten Arbeitstag im Außenministerium holte Kerry Anfang Februar vor Mitarbeitern eine Kopie des Diplomatenpasses hervor, den er Mitte der 50er Jahre im Alter von elf Jahren erhalten hatte. Damals arbeitete sein Vater beim US-Hochkommissariat in Berlin. Überall sei er mit dem Fahrrad hingefahren, erzählte er. In den Grunewald, über den Kurfürstendamm, durch das Brandenburger Tor, sogar zu den Überresten von Hitlers Bunker.

Auch seine erste außenpolitische Rede am Mittwoch spickte Kerry mit Anekdoten über einen Abstecher in den Ostteil Berlins. „Ich habe den Unterschied gesehen zwischen Hoffnung und Verzweiflung, Freiheit und Unterdrückung“, erzählte er. Dann lobte er den Marshall-Plan, mit dem die USA nach dem Zweiten Weltkrieg den Wiederaufbau in Westeuropa unterstützt hatten, als Erfolgsmodell für das US-Engagement in anderen Weltregionen.

Europa bei Reiseroute an erster Stelle

Mit dem Marshall-Plan wählte Kerry eine zuletzt ungewöhnliche Bezugsgröße für einen US-Außenpolitiker. Die transatlantischen Beziehungen galten als angestaubt, die USA richteten den Blick zunehmend auf die aufstrebenden Länder in Asien. Obama bezeichnete sich selbst als „Amerikas ersten pazifischen Präsidenten“, Kerrys Vorgängerin Hillary Clinton besuchte als erste Länder Japan, Indonesien, Südkorea und China.

Nun steht Europa wieder an erster Stelle, zumindest bei der Reiseroute. Kerry fliegt am Sonntag zunächst nach London, dann sind am Dienstag in Berlin Gespräche mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) geplant. Weitere Stationen sind Paris und Rom. „Das gibt all denen Unrecht, die gemeint haben, Europa sei für die USA nicht mehr wichtig“, sagte Westerwelle der „Passauer Neuen Presse“. Nach der Europa-Tour reist Kerry auch in die Türkei, nach Ägypten, Saudi-Arabien, in die Vereinigten Arabischen Emirate und nach Katar.

Beziehung zu Europa nachrüsten

In Obamas erster Amtszeit sei die „Faszination“ mit Asien greifbar gewesen, erklärt der Transatlantik-Experte Tyson Barker vom Washingtoner Büro der Bertelsmann Stiftung. Nun setze sich die Erkenntnis durch, dass auch die etablierte Beziehung zu Europa „konsolidiert und nachgerüstet“ werden müsse. Nicholas Siegel von der Denkfabrik German Marshall Fund sieht Anzeichen für eine „echte Wiederbetonung der transatlantischen Beziehungen“.

Für die Renaissance der Transatlantiker steht neben dem französisch und deutsch sprechenden Kerry auch der designierte Verteidigungsminister Chuck Hagel, dessen Bestätigung sich wegen des Widerstandes der Republikaner im Senat allerdings hinzieht. Als Vorsitzender des Atlantic Council in Washington stand Hagel in den vergangenen Jahren an der Spitze einer der wichtigsten US-europäischen Ideenschmieden.

Diskussion um transatlantische Freihandelszone

Mit Begeisterung wurde in vielen europäischen Hauptstädten Obamas Unterstützung für die Schaffung einer transatlantischen Freihandelszone aufgenommen. Seit einiger Zeit wird über das Projekt diskutiert, mit dem Segen des Präsidenten könnte es in den kommenden Jahren Wirklichkeit werden. Noch stehen aber schwierige Verhandlungen bevor, vor allem über die Angleichung von Umweltstandards sowie Regelungen im Agrarsektor.

Die Aufmerksamkeit hat jedoch auch ihren Preis. Angesichts knapper Kassen dürften die USA ihre europäischen Verbündeten stärker denn je zur Übernahme internationaler Verantwortung drängen. „Viele in Washington hoffen, dass Europa eine größere Rolle in seiner Nachbarschaft spielt“, sagte Siegel. Beispiele dafür seien die Militäreinsätze in Libyen und Mali. (Gregor ist Korrespondent der Nachrichtenagentur AFP.)

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