Volkskongress

Hoffen auf weitere Reformen - Kuba vor neuer Amtszeit Raúl Castros

Kubas Staatschef Raúl Castro steht vor seiner Wiederwahl. Castro, an dessen Wiederwahl niemand zweifelt, hat in dem sozialistischen Inselstaat einen pragmatischeren Kurs eingeschlagen.

Von Isaac Risco

Havanna - Weniger Ideologie, mehr Pragmatismus. Seit Raúl Castro vor fast sieben Jahren das Ruder auf Kuba von seinem Bruder Fidel übernahm, hat sich auf der kommunistischen Karibik-Insel einiges geändert. Das gilt zwar nicht für das politische System. Aber der heute 81-Jährige hat Reformen durchgesetzt, von denen die Kubaner zuvor nur träumen konnten, darunter größere Reisefreiheit.

Von einer zweiten Amtszeit Castros erwartet die Bevölkerung dennoch mehr. Mit Spannung wurde daher seine Rede vor dem Volkskongress am Sonntagabend erwartet.

Für Raúl Castro, dessen Wiederwahl kurz vor Mitternacht als sicher galt, könnte es die letzte Amtszeit sein. Er hatte vorgeschlagen, dass Mandatsträger höchstens einmal für fünf Jahre wiedergewählt werden dürfen. Er selbst war im Juli 2006 wegen der Erkrankung seines älteren Bruders Fidel (86) eingesprungen und dann im Februar 2008 offiziell von dem Einkammerparlament als Staatschef bestätigt worden.

Im Vergleich zum „fidelismo“ hat sich der „raulismo“ nach Meinung von Beobachtern und auch der Opposition als pragmatischer und besonnener erwiesen. Anders als Fidel ist Raúl Castro selten in der Öffentlichkeit zu sehen. Der Ex-Verteidigungsminister hält auch keine stundenlangen Reden. „Seine Regierung war von einer größeren Dosis Rationalität gekennzeichnet“, sagt der Dissident Oscar Espinosa der Nachrichtenagentur dpa. Der Ökonom hatte in den 1960er Jahren für den Staat gearbeitet. Nach dem „Schwarzen Frühling“ 2003 saß er als politischer Häftling im Gefängnis.

Um die Insel aus der chronischen Wirtschaftskrise zu führen, hat Raúl Castro Kuba mit seinen Reformen nach und nach einem marktwirtschaftlichen Modell angenähert und Staatsmonopole abgebaut. Das Schlagwort lautet „Aktualisierung“. Seit 2008 dürfen die Kubaner beispielsweise Elektrogeräte wie Mikrowellenherde sowie Computer und Handys frei kaufen - der freie Zugang zum Internet ist den meisten allerdings bis heute verwehrt.

Auch die Privatinitiative wurde gefördert: Inzwischen gibt es rund 400.000 Selbstständige vor allem in der Gastronomie. Bauern wird brachliegendes Land zur Nutzung überlassen. Seit 2011 dürfen die Einwohner Immobilien und gebrauchte Autos kaufen; die Banken vergeben Kredite an Privatpersonen. Im Jänner trat - mit Einschränkungen - schließlich die seit Jahrzehnten ersehnte Reisefreiheit in Kraft.

Gemäßigte Exilkubaner wie die in Washington ansässige Cuba Study Group begrüßen die Reformen und rufen die USA zur Lockerung ihres Wirtschaftsembargos auf. Doch die Regimekritiker auf der Insel bleiben skeptisch. Auch der Bloggerin Yoani Sánchez, die als eine der ersten mit Reisepass ausreisen durfte, gehen die Reformen nicht weit genug. Die 37-Jährige, die nach einigen Monaten nach Kuba heimkehren will, fordert ein Vereinigungsrecht und das Ende der Verfolgung von Andersdenkenden.

Das Regime stellt aber klar, dass es keine großen politischen Veränderung geben wird. Ein Ende des Einparteiensystems schloss Raúl Castro aus. Eine „Demontage“ der Errungenschaften der Revolution sei nicht denkbar, sagte er. Auch an einem der drängendsten Probleme der Bevölkerung hat sich nichts geändert: Das System der Doppelwährung. Neben dem nationalen Peso gibt es den an den US-Dollar gebundenen konvertiblen Peso (CUC) zum Kauf von Importwaren, den auch Touristen verwenden und der den 24-fachen Wert hat.

An ihm gemessen sind die Kubaner mit einem Monatsgehalt von umgerechnet rund 20 Dollar bitterarm. Fast alles, was über den Minimalbedarf an Lebensmitteln und Kleidung hinausgeht, muss derzeit in den staatlichen Geschäften, auf den privaten Bauernmärkten oder auf dem Schwarzmarkt mit Konvertiblen Pesos bezahlt werden. Die Parallelwährung ist für viele einfache Kubaner praktisch nicht zugänglich, was bei den Betroffenen Gefühle der Schlechterbehandlung hervorruft. (Isaac Risco ist Korrespondent der Deutschen Presse Agentur.)

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