Wenn Kinder Abschied nehmen

Werden Kinder mit dem Tod konfrontiert, dann braucht es gute Erklärer und noch bessere Zuhörer, sagen Trauerbegleiter. Was oder wer der Tod ist, versucht die Tiroler Hospiz-Gemeinschaft in einem Theaterstück für Kinder im Volksschulalter auf sensible Art zu erklären.

Von Andrea Wieser

Auf der Hospiz-Station im Sanatorium Kettenbrücke in Innsbruck gibt es eine Schatzkiste. Wenn ein Angehöriger stirbt, kann das Kind zwei Steine herausnehmen. Einen für den Sterbenden, einen für sich. Das ist eines von vielen Ritualen, die das schier Unerträgliche ein kleines Stück verarbeitbar machen sollen.

„Ich erinnere mich an ein Kind, das sich immer so gerne in die Haare seiner Mutter gekuschelt hat“, erzählt Elisabeth Draxl, Pflegedienstleiterin auf der Station. Eine abgeschnittene Locke war dann tatsächlich das Erinnerungsstück für das Kind, als die Mutter starb.

Doch wie kann man ein Kind in solch einer schweren Zeit begleiten? Wie kann man das, was man selber kaum versteht, erklären? Die Tiroler Hospiz-Gemeinschaft hat sich mit einem Theaterstück des Themas „Kind“ und „Tod“ angenommen. „Es ist uns sehr wichtig, das Thema in der Gesellschaft zu thematisieren“, betont die Vorsitzende der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft, Elisabeth Zanon. „Und dabei sind Kunst und Kultur sehr wichtige Sprachrohre.“ Deshalb habe man sich für eine Theateraufführung entschieden. „Ente, Tod und Tulpe“ ist ein Stück nach dem gleichnamigen Buch von Wolf Erlbruch. Die Darsteller Martina Couturier und Heiki Ikkola schaffen dabei das Schwierigste: Sie zeigen den Tod als etwas Natürliches – etwas, das zum Leben gehört.

In der westlichen Gesellschaft ist diese Anerkennung eines natürlichen Prozesses ein Stück weit verloren gegangen. Der Tod ist ein Tabu. „Für uns und für unsere Kinder braucht es aber eine Sprache über das Ende“, ist Zanon überzeugt.

Doch diese fehle nicht nur oft, sie sei für Kinder auch verwirrend. Der erwachsene Mensch sage statt „sterben“ lieber „einschlafen“ oder „auf eine lange Reise gehen“. „Das kann Ängste schüren“, warnt Draxl. Denn Schlaf, Reise und Tod sind nicht dasselbe. Sie zu vermischen, könne etwa dazu führen, dass das Kind Angst bekommt, abends schlafen zu gehen. Oder dass es verhindern möchte, dass seine Eltern einschlafen oder verreisen.

Über den Tod und den Schmerz zu wenig zu sprechen, könne aber auch ganz schmerzhafte Hirngespinste auslösen, warnt Draxl. Irrationale Schuldgefühle seien die Folge. „Ich habe gestern mit meinem Bruder gestritten und heute ist die Mama krank“: Für einen Erwachsenen ein abwegiger Trugschluss, im Kinderkopf eine vermeintlich logische Schlussfolgerung , die durch eine Erklärung schnell aufgeklärt werden könne.

Dennoch – auch Reden ist kein Allheilmittel. Gerade für die Jüngeren. „Es ist sehr wichtig, das Alter der Kinder zu bedenken“, betont Gertrud Larcher. Die Pädagogin ist ausgebildete Sterbe- und Trauerbegleiterin und seit Jahren Trainerin beim Verein Rainbows, welcher Begleitung nach dem Tod für Kinder anbietet. „Gerade die Kleinsten im Kindergartenalter haben noch kein Todesverständnis.“

Larcher selbst erinnert sich an ein Kind, das beim Tod des Vaters dabei war und auch bei seinem Begräbnis. Und dennoch wünschte sich das Kind zwei Monate danach zum Geburtstag, man könnte alle Leitern des Dorfes zusammensammeln, damit der Papa nur für diesen einen Tag wieder herunterkommen könnte.

Auf jeden Fall hilft Kindern ein klarer Umgang mit dem Thema. Aufrichtigkeit sei wichtig, betont Larcher, auch wenn das etwa bei Selbstmord sehr schwierig ist. Aber: „Schlimmer ist es, wenn die Kinder die Wahrheit durch andere erfahren.“ Und dann gibt es noch etwas neben dem Zuhören und Sprechen – nämlich das Berühren. „Es hilft Kindern, wenn sie spüren, wie sich der tote Mensch anfühlt“, ist Hospiz-Mitarbeiterin Draxl überzeugt. Erwachsene, die Kinder vor dem Anblick des Toten schützen wollen, meinen es sicher richtig, aber das sei der falsche Weg. Nähe helfe mehr. Dass Kinder anders trauern als Erwachsene, sollte unbedingt respektiert werden, betont Draxl. „Man muss ihnen unbedingt zeigen, dass es auch okay ist, wenn sie für kurze Zeit vergessen und einfach nur ausgelassen spielen.“