Gesundheit

Lichtblick nach der Dunkelheit

So wenig Sonne wie in diesem Winter haben die Tiroler selten gesehen. Es ist der dunkelste seit 1947 – mit Folgen für Körper, Geist und Seele. Warum Licht für den Menschen so wichtig ist, erklärt der Milser Psychologe Arthur Drexler.

Von Miriam Hotter

Zehn Tage noch. Am Mittwoch, dem 20. März, heißt es dann offiziell: Der Winter ist vorbei. Genau um 12.02 Uhr beginnt der astronomische Frühling und die frostigen Monate machen Platz für die Sonne.

Die Sehnsucht nach ausgedehnten Sonnenstunden ist groß. Seit Anfang Dezember gab es in Österreich im Schnitt um die 150 Sonnenstunden (gemessen vom 1.12. bis 28.2.). Normal sind etwa 240. Auf den Bergen wurde nur selten ein so sonnenarmer Februar registriert wie heuer. In Salzburg, Osttirol, Kärnten und in der Obersteiermark lagen die Sonnenstunden um 60 Prozent unter dem Mittelwert – das gab es seit Beginn der Messungen 1884 nur im Jahr 1947.

Was der Lichtmangel bedeutet, weiß der Psychologe Arthur Drexler. „Die innere Uhr gerät aus dem Takt.“ Das Licht sei maßgeblich dafür verantwortlich, dass Serotonin im Körper gebildet wird. Je länger das Sonnenlicht auf den Körper, vor allem durch die Augen, einströme, desto höher werde der Serotoninspiegel, der für die Stimmung des Menschen verantwortlich sei und zusammen mit Melatonin den Tag-und-Nacht-Rhythmus regle.

Doch was geschieht bei einem Lichtmangel im Winter? „Der Körper produziert vermehrt Melatonin und macht eher schlapp und müde“, erklärt Drexler. Die verstärkte Melatoninausschüttung schlage außerdem auf das Gemüt. Jeder achte Österreicher gleitet in der kalten Jahreszeit mit ihren kurzen Tagen in eine Winterdepression, die sich durch extreme Traurigkeit, Müdigkeit, Schlafstörungen und dem Gefühl, zu nichts zu nütze zu sein, auszeichnet.

Die Winterdepression, auch SAD genannt (saisonal abhängige Depression bzw. Seasonal Affective Disorder), kehrt laut Drexler alle Jahre wieder, beginnt in den Herbstmonaten und endet im Frühjahr.

Abhilfe könne ganz einfach mehr Licht schaffen. Die Wirksamkeit der Lichttherapie ist laut Drexler durch zahlreiche Studien nachgewiesen. „Bei der Lichttherapie kommen spezielle Lampen bzw. so genannte Lichtduschen zum Einsatz, die über besonders hohe Lichtstärken von 2500 bis 10.000 Lux verfügen“, erklärt er. Bei einer Lichtstärke von 10.000 Lux genüge pro Tag eine halbe Stunde, bei 3000 Lux seien es zweieinhalb Stunden. Die Lichttherapie wirke über die Netzhaut. Der Effekt tritt schneller als bei der medikamentösen Therapie ein.

Laut dem Wiener Professor Siegfried Kasper, der auf diesem Gebiet forscht, stellt sich ein Behandlungserfolg meist in den ersten ein bis zwei Wochen ein. Das helle Licht kurbelt die Produktion des „Glückshormons“ Serotonin an und wirkt einer depressiven Stimmung entgegen.

Eine Studie von Experten der Universitätsklinik für Psychiatrie der MedUni Wien zeigt, dass die „künstliche Sonne“ in fast 70 Prozent der psychiatrischen Abteilungen in Krankenhäusern in Österreich, Deutschland und der Schweiz zur Behandlung von Patienten mit saisonabhängigen Depressionen eingesetzt wird.

Eine Art „künstliche Sonne“ wollte man 2005 auch in Rattenberg im Tiroler Unterland gegen die saisonal abhängige Depression einsetzen. Eine Umfrage unter den 405 Einwohnern (Stand 1. Jänner 2012) habe nämlich ergeben, dass jeder fünfte Bewohner unter einer Winterdepression leide, da der Stadtturm von November bis Februar jeglichen Sonneneinfall verhindert. Ein zwei Millionen Euro teures Spiegelsystem sollte die Sonne wieder zurück in die engen Gassen Rattenbergs bringen. Aus dem Plan wurde aber nichts, da sich keine Sponsoren finden ließen.

Die Einwohner Rattenbergs sind aber nicht die einzigen Tiroler, die im Winter auf die Sonne verzichten müssen. In Rietz etwa (Bezirk Imst) haben die Menschen bis zu drei Monate keine Sonne, da die Stubaier Alpen sie abschirmen.

Dabei hat die Sonne nicht nur Einfluss auf das Gemüt. „Sie wirkt auch auf unseren Organismus“, sagt Drexler. Das Licht der Sonne löse verschiedene biologische Reaktionen im menschlichen Körper aus. Die größte Wirksamkeit besitze die UV-B-Strahlung, die das Immunsystem aktiviere. Die Strahlung sorge außerdem dafür, dass der Körper das Vitamin D3 produziere, das für den Knochenbau wichtig sei. Ein weiterer Grund, die Sonne in vollen Zügen zu genießen.

Um sich tatsächlich fröhlich und beschwingt zu fühlen, müsse man die veränderten Farben, das verlängerte Tageslicht und das allerorts sprießende Grün wahrnehmen. Drexler rät allen Menschen, einmal die Nase in die Frühlingsluft zu strecken – dann sind die Winterdepressionen schnell Schnee von gestern.