Innenpolitik

„Die Optik ist überbewertet“

Welcher Typ Frau kommt als Politikerin an? Spielt die Optik bei Politikerinnen eine größere Rolle als bei Politikern? Politikberater und Wissenschafter geben Antwort.

Von Anita Heubacher

Innsbruck –„Es kommt nicht auf die Optik an“, ist Geschlechterforscherin Erna Appelt vom Institut für Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck überzeugt. Das habe sich beispielsweise bei Madeleine Petrovic gezeigt. Anfang der 1990er-Jahre wollte man der Grünpolitikerin ein neues Image verpassen. Weg von Birkenstock hin zu Pumps. „Das war völlig sinnlos, weil es nicht glaubwürdig war“, meint Appelt. Bei Politikern komme es darauf an, dass sie ihre Meinung gut vermitteln könnten. Hinhören, die Leute verstehen, nicht zu nah am Stammtisch sein, Stehvermögen – das sind die Eigenschaften, die für Appelt den Erfolg oder Misserfolg eines Politikers ausmachen. „Politik ist keine Modeschau, es geht um Inhalte.“

„Das wäre der gewünschte Idealzustand“, hält Politikberater Thomas Hofer entgegen. Frauen haben es seiner Meinung nach in der Politik schwerer. Sie müssten sich Fragen nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gefallen lassen. „Den Herrn Fay­mann fragt man auch nicht, ob es seinen Kindern gut geht, wenn er so viel arbeitet.“ Die Optik sei bei Frauen schneller Gegenstand der Berichterstattung, meint Hofer.

Eine Erfahrung, die auch die Chefin der Grünen, Eva Glawischnig, machen musste. Als sie bauchfrei heiratete, füllte das tagelang nicht nur die Klatschspalten, sondern löste auch bei den grünen Wählern und parteiintern eine Diskussion aus. Zu schick, zu sehr Seitenblicke-Gesellschaft, lautete der Vorwurf. „Das haben die Parteimanager gut weggebracht“, meint Hofer.

Motivforscherin Sophie Karmasin sagt, „ein attraktives Äußeres ist hilfreich für Männer und Frauen in der Politik“. Zu viel ist laut Karmasin aber abträglich. „Wenn Frauen sich zu weiblich präsentieren, ist das hinderlich, weil man nach der Optik beurteilt wird.“ Wichtig sei, dass die Optik der Rolle entspreche. Als beispielsweise die ehemalige ÖVP-Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky Csardas tanzte, war das vielen Österreichern zu viel. „So etwas knabbert an der Seriosität“, meint Karmasin. Allerdings glaubt die Motivforscherin, dass die „visualisierte Wahrnehmung der Politik“ wichtiger werden wird. „Junge Menschen konsumieren immer mehr Bilder.“ Als oberflächlich will das Karmasin nicht bewertet wissen. Es ist eine andere Form, Informationen aufzunehmen. „Wir werden stärker darauf trainiert, auf Äußerlichkeiten zu achten.“

Aus dem Langzeit-Blickwinkel sieht es Geschlechterforscherin Appelt: „Seit vielen Jahren sind Frauen in der Politik. Jeder Typus kann sich durchsetzen, wenn das politische Konzept passt.“ Medien seien in der Beurteilung der Optik und der Äußerlichkeiten „auf der falschen Fährte“. Das seien Momentaufnahmen, der Inhalt sei wichtig. „Wo ist denn der Herr Grasser heute? Dem hat das ganze hübsche Aussehen nichts genützt.“ Als Politiker gehe es darum, die Gesellschaft in ihrer Differenziertheit zu erfassen. „Wer das nicht kann, wird scheitern.“ Beispiele aus der Männerwelt fallen auch Politikberater Hofer ein. So seien sowohl die Radelhosen von Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer als auch die kurzen Hosen von Alois Mock ein Thema gewesen. „Das findet aber weitaus weniger oft in der Öffentlichkeit statt als bei Frauen.“ Dagegen habe unlängst für Aufregung gesorgt, dass die grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou im Dirndl beim Jägerball in Wien erschien. Ähnlich wie in Tirol, als die grüne Spitzenkandidatin Ingrid Felipe Fotos von sich im Dirndl beim Bauernbundball postete, gab es in der Facebook-Gemeinde auch kritische Stimmen.

Kritik an ihrer Frisur musste sich auch die deutsche Bundeskanzlerin Merkel gefallen lassen. „Jetzt spielt die Optik der Kanzlerin tatsächlich keine Rolle mehr“, sagt Hofer.