Paare im Räderwerk des Alltags
Dokumentarfilmer Marko Doringer begleitet in „Nägel mit Köpfen“ Mitdreißiger durch Sinn- und Beziehungskrisen.
Von Joachim Leitner
Innsbruck –Man könnte einem Regisseur, der sein eigenes Leben bereits zum zweiten Mal zum Inhalt eines Films macht, Eitelkeit oder übersteigerte Geltungssucht vorwerfen. Aber diesen Schuh will sich der 1974 in Salzburg geborene Marko Doringer, dessen Dokumentarfilm „Nägel mit Köpfen“ jetzt ins Kino kommt, nicht anziehen.
„Dokumentarfilmer sind auf die Lebensgeschichten anderer Menschen angewiesen und auf deren Bereitschaft, sich auch in schicksalhaften Situationen filmen zu lassen“, sagt Doringer im Gespräch mit der TT. Deshalb habe er entschieden, auch seine eigene Person auszustellen – nicht zuletzt, um mit den anderen Protagonisten auf Augenhöhe arbeiten zu können. „Es gibt allen anderen eine gewisse Sicherheit, wenn der Regisseur sich nicht nur hinter die Kamera flüchtet, sondern selbst gefilmt wird“, sagt er. Tatsächlich kommt Doringer nicht immer gut weg in seinem Film. Er ist ein nörgelnder Phlegmatiker, ein zwar sympathischer, aber eben auch verschlossener Chaot. „Solange mein Leben nicht so ist wie im Bilderbuch, zweifle ich“, sagt er. Mit seiner Freundin Marlene – die er am Ende des Vorgängerfilms „Mein halbes Leben“ (2009) kennen gelernt hat – zieht er in die erste gemeinsame Wohnung. Von nun an gilt es für die beiden Mitdreißiger, die titelgebenden „Nägel mit Köpfen“ zu machen. Sie müssen sich in den Dienst eines gemeinsamen Projektes stellen – sprich sich bemühen und ordentlich Opfer bringen.
Dieses Zusammenleben ist keine Probe aufs Exempel mehr, sondern eine Richtungsentscheidung, die weit über einen einvernehmlichen Putzplan hinausgeht. Hier arbeiten zwei Menschen an der gemeinsamen Zukunft, fragen sich, ob das, was heute funktioniert, auch morgen noch Bestand haben wird. Diese Gespräche sind intim, geprägt von einer tiefen Zuneigung und trotzdem hart, bisweilen sogar verstörend. „Gerade diese Szenen hatten eine therapeutische Funktion für die Beziehung zwischen Marlene und mir. Wenn eine Kamera im Raum ist, verhält man sich anders. Einerseits spricht man vielleicht eine Spur überlegter, andererseits konnte gerade ich es mir nicht erlauben, Dinge unausgesprochen zu lassen. Schließlich bin ich der Regisseur und daran interessiert, einen starken Film zu machen“, sagt Doringer. Aber „Nägel mit Köpfen“ ist mehr als das intime Porträt zweier Menschen an einer entscheidenden Wegscheide ihres Lebens. Vielmehr umkreist Doringers episodische Doku eine Generation, die sich einst für ihre grenzenlose Mobilität und den Willen zur Selbstverwirklichung auf die eigene Schulter klopfte und nun von fixen Verhältnissen, geregeltem Einkommen und – ganz insgeheim – vom Häuschen im Grünen träumt. Neben seiner eigenen Beziehung holt Doringer auch andere Paare, die Gefahr laufen, vom Räderwerk des Alltags, zwischen unerfülltem Kinderwunsch und prekärem Anstellungsverhältnis, zermalmt zu werden, vor die Kamera. Die Lebensentwürfe mögen verschieden sein, der Kern ist aber immer derselbe: einerseits das Beharren auf Eigenständigkeit, andererseits der Wunsch nach Nähe.
„Nägel mit Köpfen“ bietet also jede Menge Identifikationspotenzial für Thirtysomethings und erlaubt sich auch einige Schwenker, die über die (Luxus-)Probleme einer in den Seilen hängenden Generation hinausgehen: In Belgrad begleitet Doringer ein homosexuelles Paar durch eine von Homophobie geprägte Stadt – und öffnet seinem Film eine Hintertür zu Fragen, die durch eine Gesprächstherapie nicht zu beantworten sind.