Es menschelt tierisch
Leos Janáceks Oper „Das schlaue Füchslein“ am Tiroler Landestheater als sinnliche Parabel für Erwachsene und unverkitschtes Bilderbuch für Kinder.
Von Ursula Strohal
Innsbruck –Kamila Stösslová war eine 25-jährige Schönheit, unkonventionell und ungebunden, als sie 1917 den Komponisten Leos Janácek entflammte. Er war 63. In seiner Oper „Das schlaue Füchslein“ setzte er ihr ein Denkmal. Janácek hatte keine Scheu, Biografisches in sein Werk einfließen zu lassen, aber auch den Anspruch künstlerischer Überhöhung. Sentimentalität war ihm fremd. Er ziselierte, lauschte der Natur und Sprache, fand in den tragischen Opern die tiefschwarze Geste, im „Füchslein“ aber zu farbiger Transparenz und im Finale – wenn hier auch bunte Blätter fallen – zum Klangzauber eines Sommernachtstraumes. Märchenoper ist das freilich keine. Am Samstag hatte eine erfolgreiche Inszenierung des „schlauen Füchsleins“ am Tiroler Landestheater Premiere, szenisch übernommen von den Theatern in Hildesheim und Kaiserslautern, musikalisch erarbeitet vor Ort. Eine hübsche, feine Produktion zum Lächeln und Traurigsein, auf verschiedenen Ebenen für die ganze Familie.
Der Förster fängt ein kleines, freches Füchslein ein und zieht es daheim groß. Die schöne Füchsin bezaubert ihn in ihrem Freiheitsdrang und der bewahrten ureigenen Natur. Denn sie lässt sich nicht zähmen und wehrt sich für erlittene Bedrängnis. Sie entkommt in den Wald. Dort leben Dachs, Eule, Mücke, Eichelhäher, Specht, Frosch, Grille, Schnecke, Schmetterlinge, Fliege, Hase, Igel und viele andere Tiere. Auf dem Hof Dackel, Hahn und dumme Hennen, denen von Füchslein Schlaukopf nicht ein bisschen Emanzipation beizubringen war. Alle wunderbar von Hannes Neumaier mit den Materialien ihres Lebensraumes und unserer Konvention kostümiert. Vom Wesen einer naturhaften Umwelt träumt auch das Dorf. Das Försterhaus ist aus Jagdtrophäen, der Hühnerstall aus Eiern und das Wirtshaus aus vollen Bierkrügen gebaut.
Beim Wald wird die Sache heikler. Es geht ihm zwar – real verwurzelt und am Theater – besser als in den 1980er Jahren, aber von heiler Welt rauscht er nicht. Neumaiers bestechende Lösung: in Baum- und Buschform zusammengenagelte Bretter und Holzreste vor Projektionen. Ideal für Lichtkünstler Johann Kleinheinz und die Symbolik des Unbewussten, Geheimnisvollen, auch des Weiblichen, die dem Wald niemand abholzen kann. Ort auch für Verschmelzung und Austausch menschlicher und tierischer Eigenschaften, für die Allegorie von Werden, Leben, Tod und Erneuerung sowie den Traum einer Harmonie zwischen Mensch und Natur. Alexander Rumpf und das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck illustrieren nicht mit Janáceks farb- und bewegungsstarker Musik, sondern machen sie, inspiriert, präzise und leuchtkräftig, zu etwas ebenfalls Wesenhaftem im Kosmos der Parabel. Gesungen wird in deutscher Sprache in einer für die Hildesheimer Produktion 2009 erstellten Fassung des Dirigenten Werner Seitzer.
Christine Buffle ist eine zauberhafte Füchsin voll Charme, Klugheit und Übermut, mit blühend frischem Sopran und fordernder, kalkulierter, aber unbefangen wirkender Bewegungschoreographie. Sie hat die Rolle unter Kent Nangano für eine gezeichnete DVD-Einspielung gesungen und gibt ihr nun Körperlichkeit. Die Füchsin muss sich geradezu in Lysianne Tremblays feschen, klangverführerischen Fuchs verlieben. Neun Füchslein sind die Folge. Joachim Seipp hat mit dem Förster eine ideale Rolle für seinen wortdeutlichen, kraftvollen Bariton. Mit dem köstlichen Schulmeister von Joshua Lindsay und Johannes Wimmers frustriertem Pfarrer bildet der Förster ein alterndes Männertrio, gefangen in vergeblicher, versäumter, verhinderter Liebesmüh. Nur der Förster findet Frieden in der Erkenntnis des ewigen Kreislaufs der Natur – sofern man sie gewähren lässt.
Schulmeister und Pfarrer verkörpern klugerweise auch jene Tiere, die ihnen charakterlich angeglichen sind. In weiteren (Doppel-)Rollen: Kristina Cosumano, Uwe Tobias Hieronomi als Haraschta ohne Lizenz zum Töten, aber mit Gewehr, Michael Gann, Denise Pelletier, Florian Stern, Claudia Heuel und Holger Kapteinat. Fröhlich, sauber und engagiert die Wiltener Sängerknaben.
Johannes Reitmeier hat ohne Überzeichnung Hand angelegt an die Geschichte. Mit feinem Gespür für Janáceks Genie und Melancholie, mit Kenntnis von dessen lebenslangem Thema Eros, mit Nachdenklichkeit, Frische und Humor.