Geschwächter Maduro tritt in Chavez‘ viel zu große Fußstapfen
Nur hauchdünn hat Chavez-Zögling Nicolas Maduro die Präsidentschaftswahl in Venezuela gewonnen. Selbst in der eigenen Partei dürfte sein Führungsanspruch nun hinterfragt werden.
Von Brian Ellsworth/Reuters
Caracas - Es ist eine Überraschung, mit der Nicolas Maduro selbst am wenigsten gerechnet haben dürfte. Bei der Präsidentenwahl in Venezuela stimmte fast die Hälfte der Bevölkerung gegen den Regierungskandidaten - und damit gegen eine Fortsetzung der Politik des jüngst verstorbenen Staatschefs Hugo Chavez.
Der knapp unterlegene Oppositionskandidat Henrique Capriles wittert Wahlbetrug und fordert eine Neuauszählung der Stimmen. Damit tritt der von Chavez noch zu Lebzeiten zum Wunschnachfolger erklärte Maduro äußerst geschwächt ein denkbar schweres Erbe an. Denn selbst in der eigenen Partei dürfte der Führungsanspruch des 50-Jährigen nun hinterfragt werden.
Maduro fehlt Chavez´ Charisma
Bereits im Wahlkampf hatte die Opposition versucht, den Mann mit dem markanten Schnurrbart als „schlechte Kopie“ von Chavez darzustellen, der zuvor rund 14 Jahre an der Spitze des größten südamerikanischen Erdölexporteurs gestanden hatte. Maduro müht sich durchaus, dem wortgewaltigen Chavez nachzueifern, hat aber längst nicht das Charisma des Anfang März an Krebs verstorbenen Sozialisten.
Genau wie Chavez richtet sich Maduro bisweilen zwanglos im Trainingsanzug an seine Anhänger. Vertreter der Opposition verunglimpft der frühere Busfahrer und einstige Gewerkschaftsführer als „miserable Verräter“. Zudem war er sich im Wahlkampf nicht zu schade, Zoten über die angebliche Homosexualität seines politischen Gegners zu ziehen.
Ebenfalls inspiriert vom langjährigen Präsidenten bemüht sich Maduro, seine emotionale Seite herauszustellen. So brach er am Todestag von Chavez in Tränen aus, als er vor einer Menschenmenge bekundete, Chavez bis in alle Ewigkeit treu ergeben zu bleiben. Doch im Gegensatz zu Chavez - der stets bereit war, ein Kind zu herzen oder mit einem einfachen Arbeiter zu scherzen - mochten viele Wähler Maduro die Rolle als Mann des Volkes offensichtlich nicht so recht abkaufen.
Diplomaten haben den frühren Außenminister Maduro dagegen wegen seiner freundlichen und gelassenen Art schätzen gelernt, die insbesondere hinter verschlossenen Türen zutage tritt. „Er ist der gewandteste und am wenigsten reizbare aller Vertreter der venezolanischen Führung“, bemerkte unlängst ein europäischer Diplomat. Auch deshalb hoffen einige Analysten immer noch auf eine Annäherung Venezuelas unter Maduro an den Erzfeind USA. Denn trotz aller Hasstiraden aus Caracas ist die reiche Supermacht im Norden immer noch der größte Abnehmer von venezolanischem Öl.
Einflussreiche Präsidentengattin
Maduro ist mit der Juristin Cilia Flores verheiratet. Die heutige Generalstaatsanwältin war von 2006 bis 2011 die erste Frau an der Spitze der venezolanischen Nationalversammlung - ein Amt, das zuvor auch Maduro selbst bekleidete. Als Anwältin vertrat Flores einst Chavez, nachdem dieser wegen seines gescheiterten Putschversuchs 1992 im Gefängnis landete. Zwei Jahre später kam er wieder auf freien Fuß. Auch deshalb gilt das Paar als eines der einflussreichsten des Landes.
Seit Chavez‘ erster Krebsdiagnose Mitte 2011 war Maduro einer der engsten Vertrauten des früheren Staatschefs. Im Oktober wurde er zum stellvertretenden Präsidenten berufen, im Dezember erklärte Chavez ihn dann zum Wunschnachfolger. Durch große politische Vorstöße ist Maduro bisher nicht aufgefallen. Vorsichtig angedeutet hat er gewisse Veränderungen, wie zum Beispiel die Kürzung staatlicher Subventionen etwa bei der Stromversorgung. Auf Druck der Opposition versprach er im Wahlkampf zudem einen entschiedenen Kampf gegen Korruption in Staatsbetrieben.
Steigende Inflation und wachsende Gewalt
Zum schweren Erbe von „Comandante Chavez“ gehören aber auch die steigende Inflation und die wachsende Gewalt in dem tief gespaltenen Land. Zugleich gehen die Einnahmen aus dem Ölgeschäft zurück, mit denen Chavez seine Sozialprogramme finanzierte. Das knappe Wahlergebnis und die von Capriles erhobenen Betrugsvorwürfe versetzen Maduro in eine schwache Ausgangslage, um all diese Probleme in den Griff zu bekommen. Eine Zusammenarbeit mit der Opposition schloss er in der Wahlnacht gleichwohl aus - und hielt stattdessen ein Konterfei von Chavez mit einem Kreuz in die Höhe.