CO2-Verschmutzungsrechte: EU-Parlament gespalten
EU-Klimaschutzkommissarin Hedegaard will 950 Millionen Zertifikate herausnehmen. Der Preis für die Zertifikate würde leicht steigen.
Straßburg – Das EU-Parlament zeigte sich Montagabend in Straßburg bei der Debatte über eine geplante zeitlich begrenzte Herausnahme von 950 Millionen CO2-Verschmutzungszertifikaten aus dem Markt gespalten. Vertreter der Konservativen und der Liberalen sind mit deutlicher Mehrheit gegen eine solche Maßnahme, weil dies ein Eingriff in den Markt sei. Sozialdemokraten und Grüne sind dafür, weil sonst der heutige Niedrigpreis von 2,80 Euro für Emissionszertifikate noch mehr nach unten sinke. Die Abstimmung erfolgt am morgigen Dienstag.
EU-Klimaschutzkommissarin Connie Hedegaard glaubt, dass bei einer Annahme der Herausnahme von Emissionszertifikaten ein geringfügiger Preisanstieg erfolgen könnte. Es sollte auch nicht das Prinzip gelten, dass ein Wettbewerber einen anderen durch mehr Umweltverschmutzung schlagen könne, weil diese Emissionsrechte extrem billig sei. Damit gebe es auch kaum mehr Anreize für mehr Energieeffizienz in den Unternehmen. Es gehe darum, sich durch eine einmalige Verschiebung und einen einmaligen Eingriff in den Markt Zeit zu kaufen, um das Emissionshandelssystem grundlegend zu überarbeiten. „Damit verhindern wir, dass sich die Situation noch verschlimmert“. Immerhin habe es einmal die Erwartung gegeben, dass der Preis für Zertfikate auf 30 Euro steigt. Es sei eine Auswirkung der anhaltenden Wirtschaftskrise, dass der Preis so stark gesunken sei. Die Alternative dürfe doch nicht sein, gar nichts zu tun, „das wäre ein Fleckerlteppich mit 27 unterschiedlichen nationalen Regierungen“, warnte Hedegaard.
Der Berichterstatter zu dem Thema, Matthias Groote, betonte, dass die nun einmalig geplante Herausnahme von Emissionszertifikaten später wieder in den Markt gebracht werden. „Wir brauchen die Maßnahme, damit wir zu einem einigermaßen vernünftigen Preis kommen“. Der absolute Tiefstand von 2,80 Euro gebe keinerlei Anreize mehr für klimaschonende Produktionsverfahren. Das Parlament habe in seinem Entwurf auch ein Sicherheitsnetz eingebaut, dass es nur zu einem einmaligen Eingriff in den Markt kommen dürfe. „Wir haben 2008 beim Energiepaket einen Fehler gemacht, indem wir zuviele Zertifikate ins System gegeben haben. Jetzt bekommen wir die Rechnung präsentiert. Und weil wir zuviele Zertifikate haben, fällt der Preis, das ist unser Fehler. Nun ist es an der Zeit, temporär den Fehler zu beheben und den Weg für strkuturelle Reformen vorzubereiten“. Es gelte auch zu bedenken, dass China 2015 ein Emissionshandelssystem auf den Weg bringt.
Der ÖVP-Europaabgeordnete Richard Seeber sprach sich entschieden gegen die Zertifikatsverknappung - „back loading“ - aus. Es gebe keine Klarheit darüber, was mit dem Geld passiere, es gebe auch keinen Korridorpreis. Außerdem wäre das Preissignal zu gering für grüne Investitionen. Die Zuständigen erklärten, bei der Umstellung von Kohle auf Gas bräuchte man Preise von 50 Euro. Darüber hinaus „leisten wir mit dem back loading der jetzigen Stromproduktion weiter Vormarsch, weil Atomstsrom CO2-frei auskommt“.
Auch zahlreiche Vertreter der Konservativen und der Liberalen gaben ihrer Ablehnung mehr als deutlich Ausdruck. So hieß es, ein Eingriff in den Markt bedeute, dass das System des Emissionshandels nicht verlässlich sei und der Willkürlichkeit preisgegeben werde. Es wäre auch ein völlig falsches Signal zu sagen, der Verschmutzungspreis müsse erhöht werden, wenn auf der anderen Seite der Rest der Welt nicht einmal bereit sei, die Klimaschutzakbommez zu akzeptieren.
Dem Vorschlag der Europäischen Kommission, die Emissionszertifikate angesichts rapide sinkender Preise zu verknappen und damit wieder teurer zu machen, hatte sich zuletzt im Europaparlament der federführende Umweltausschuss angeschlossen. Der Industrieausschuss stimmte abermehrheitlich dagegen. Im Plenum Dienstag mittag dürfte das Abstimmungsergebnis knapp ausfallen.
In Österreich hat 2012 wegen eines geringeren Einsatzes thermischer Kraftwerke und einer höheren Zuteilung von CO2-Zertifikaten an den Elektrizitätssektor der Überschuss an diesen Verschmutzungsrechten stark zugenommen. Konkret lag der Zertifikatsüberschuss mit rund 5 Mio. t bzw. 14,6 Prozent der gesamten zugeteilten Menge deutlich höher als 2011 - damals betrug der Überschuss lediglich 5,8 Prozent. (APA)