Wenn die Liebe einen Sprung hat
Ein Seitensprung lässt keinen kalt. Aber wie kommt es überhaupt so weit? Pamela Obermaier hat über den amourösen Fehltritt ein Buch geschrieben. Ein Gespräch mit der Autorin über die Schwäche, die in uns allen steckt.
Sie sind für das Buch selbst als Treuetesterin aktiv geworden ...
Obermaier: Meine Kollegin Gabriele Hasmann und ich haben in unserem Buch das Thema „Seitensprung“ aus drei Perspektiven beleuchtet. Aus der Perspektive der Treuetester, aus jener der Auftraggeber und aus dem Blickwinkel jener, die überwacht worden sind. Aus Recherchezwecken bin ich dafür einige Male in die Rolle des Lockvogels geschlüpft.
Ist es denn nicht total unangenehm, jemanden derart reinlegen zu wollen?
Obermaier: Ja, die Hemmschwelle war sehr groß. Das begann schon damit, dass ich im echten Leben so direkt und offensiv Männer gar nicht anspreche. Ich habe mir darum vorgestellt, eine Schauspielerin zu sein, die eine Rolle spielt. Es war sehr schwierig. Einerseits musste ich auf die Männer eingehen und mit ihnen flirten, gleichzeitig habe ich immer gehofft, dass die Männer nicht auf mich anspringen. Weil ich natürlich eigentlich solidarisch mit den Frauen war. Ich ziehe vor professionellen Treuetestern, die damit ihr Geld verdienen, meinen Hut, ich könnte das nicht.
Stimmt es, dass Männer öfter fremd gehen?
Obermaier: Das stimmt überhaupt nicht. Das ist ein Klischee. Neueren Studien zufolge sind Frauen sogar einen Deut öfter untreu als Männer.
Es gibt die Theorie von der Rettung der Beziehung dank Seitensprung. Märchen oder Tatsache?
Obermaier: Nein, ich halte es für einen Schwachsinn und eine billige Ausrede, das ist aber meine ganz persönliche Meinung.
In Ihrem Buch sind Sie vielen Seitensprung-Mythen auf den Grund gegangen ...
Obermaier: Ja, Klischees wie „Frauen springen nur zur Seite, wenn sie sich verlieben“ oder „Männer wollen nur Abwechslung im Bett“ sind längst überholt. Auch die Weisheit „Ein Seitensprung rächt sich immer“ ist letztlich nur die große Hoffnung jener, die betrogen worden sind.
Gab es auch Mythen, die sich bestätigt haben?
Obermaier: Ja, ein wahrer Kern steckt zum Beispiel in der Aussage „Der Betrüger liebt weniger als der Betrogene“. Natürlich, denn wenn man weniger zu verlieren hat, dann riskiert man auch mehr. Und wir haben bei der Auswertung der Geschichten gesehen, dass man einen Seitensprung nicht immer so schwarz-weiß darstellen kann, wie wir das normalerweise gerne tun. Das heißt, der Betrogene ist nicht immer ganz unschuldig. Ich weiß, das klingt jetzt sehr provokant, aber meist hat sich der Betrogene in der Beziehung schon so weit entfernt, dass der Betrügende sich verloren und einsam gefühlt hat.
Was kann ich aus dem Buch lernen?
Obermaier: Dass Betrügende sich ebenso oft als Opfer fühlen und ganz schreckliche Schuldgefühle haben können. Man sieht aber anderseits auch, was ein Seitensprung anrichten kann. Wenn man fremd geht, muss man sich darüber im Klaren sein, dass man den Partner massiv verletzt und dass das das Ende der Beziehung bedeuten kann.
Wie kann man einen Seitensprung verhindern?
Obermaier: Die beste Prophylaxe dagegen ist ein glückliches Sexualleben. Sexualität ist ein Sich-immer-wieder-Annähern, bei dem wir – esoterisch formuliert – die Liebe fließen lassen können. Das bringt Partner immer wieder zueinander.
Gibt es Menschen, die vor dem Seitensprung gefeit sind?
Obermaier: Nein, es kann theoretisch jedem passieren. Da darf man nicht zu selbstgerecht sein. Dazu fällt mir das indianische Sprichwort ein: „Man soll nicht über jemanden urteilen, bevor man nicht in seinen Mokassins gegangen ist.“ Wie man damit umgeht, ist eine andere Frage. Die beste, moralisch einwandfreiste Form wäre, seinem Partner zu sagen, dass man kurz davor ist, untreu zu werden. Aber wer macht das schon? Wir sind halt doch Menschen …
Das Gespräch führte Andrea Wieser