IWF-Chefin Lagarde lässt nicht locker: Europa verliert Anschluss
Das Frühjahrstreffen der 188 IWF-Staaten in Washington steht erneut im Zeichen der Eurokrise. Währungsfonds-Chefin Christine Lagarde will die große Bühne nutzen, um Staaten wachzurütteln.
Washington - Die einen finden Christine Lagarde angenehm geradlinig, anderen halten sie für ein bisschen zu frech. Tatsächlich gibt sich die Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF) gern provokant, wenn sie Politiker zum Handeln gegen die Krise aufruft. „Wir brauchen Gesetzgeber, die ihren Job erledigen“, ließ die einstige französische Finanzministerin jüngst wieder ihre europäischen Ex-Kollegen wissen.
„Sie haben den Hang, sich ein bisschen auszuruhen.“ Was Lagarde süffisant verpackt, ist in Wahrheit eine laute Warnung: Die Eurozone verliert den Anschluss an den Rest der Weltwirtschaft, wenn sie ihre Probleme nicht endlich mutig löst.
„Erholung mit drei Geschwindigkeiten“
Wenn Ende der Woche die Finanzminister und Notenbankchefs der 188 IWF-Mitgliedsländer zur Frühjahrstagung nach Washington kommen, wird genau dies Lagardes Leitmotiv sein: Eine halbe Dekade nach der globalen Finanzkrise befindet sich die Welt endlich wieder in einer stabilen Konjunkturlage - Europa aber nicht.
Seit Tagen spricht die 57-Jährige in Interviews unablässig von einer „Erholung mit drei Geschwindigkeiten“. Die Schwellenländer haben fast wieder zu alter Stärke als Wachstumslokomotive gefunden. Die USA sind erstmal über das Gröbste hinweg und legen kräftiger zu. Europa und Japan hingegen sind in der neuen Dreiklassen-Gesellschaft im unteren Drittel zu finden.
Schäuble verärgert über „Euro-Bashing“
Die Deutschen dürften es alles andere als gerne hören, von Lagarde zum Wirtschaftsschlusslicht gezählt zu werden. Schon bei den vergangenen beiden IWF-Treffen im vergangenen Oktober in Tokio und im April 2012 in der US-Hauptstadt verbat sich etwa der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) das ewige „Euro-Bashing“. Immerhin komme Europa gerade bei den großen Reformen voran, wie er stets betont. Doch solange sich Turbulenzen wie zuletzt in Zypern nicht legen, die weltweit die Finanzmärkte aufrütteln, kann er nicht mit Lagardes Langmut rechnen. Dafür ist sie bei aller Anerkennung mutiger Schritte - vor allem der Europäischen Zentralbank - mit dem Reformtempo einfach zu unzufrieden.
Dabei ist es nicht der Wirtschaftsstandort Deutschland, der in ihren Augen bremst. Im Gegensatz zu Rezessionsländern wie Spanien, Italien und Frankreich verzeichnet Europas größte Volkswirtschaft recht erkleckliche Wachstumsdaten. Auch politisch hält Lagarde die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eigentlich für die „unangefochtene Anführerin“ auf dem Kontinent. Sie „war entscheidend darin, alles zusammenzuhalten“, meint die IWF-Chefin - nur um ihr Lob im selben Satz mit einem Tadel anzureichern: „Obwohl manchmal in einer Geschwindigkeit, die manche für ein bisschen zu langsam halten“.
So wird sich die Eurozone auch bei diesem IWF- und Weltbanktreffen nicht aus dem Rampenlicht stehlen können. Sicher wird auch die langfristige Haushalts- und lockere Geldpolitik der verschuldeten Nationen USA und Japan zum Thema werden oder Überhitzungsgefahren in Schwellenländern. Doch Konzepte will die Weltgemeinschaft vor allem von den Europäern sehen. Wie sie „die Quellen der Nachfrage in einer Zeit steigender Arbeitslosigkeit zu stärken“ gedenken, sei die Frage, formulierte das der neue US-Finanzminister Jack Lew kürzlich bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel. Ob er am kommenden Wochenende konkrete Antworten bekommen wird, ist aber fraglich. (dpa)