Drei Tiroler erlebten den Horror von Boston
Drei Tiroler, der Fulpmerer Medizinstudent Johannes Zipperle sowie der Tannheimer Läufer Josef Glätzle und seine Frau bekamen den Terroranschlag auf den Bostoner-Marathon hautnah mit.
Von Max Ischia und Vanessa Grill
Boston – Zehn Minuten nach dem Attentat auf den Boston-Marathon am Montag erreichte der Tiroler Johannes Zipperle, der gerade seine Doktorarbeit schreibt, seine Arbeitsstelle, ein nahegelegenes Krankenhaus. Seine besorgte Mutter hatte sich bereits per E-Mail nach seinem Befinden erkundigt.
Der Weg des 28-jährigen Stubaiers führte ihn direkt an der Marathonstrecke vorbei. Ihm sei zwar das riesige Polizeiaufkommen aufgefallen, die Explosionen habe er aber nicht gehört. Nicht ungewöhnlich, denn es dauerte auch bis das tragische Ereignis zu den Läufern durchgedrungen war. „Eine halbe Stunde später liefen immer noch viele. Erst als die Läufer dann gestoppt wurden, erfuhren sie von den Anschlägen“, erzählt er.
„Die Leute sind panisch herumgelaufen“
Näher am Geschehen befand sich Josef Glätzle. Der Tannheimer Marathonläufer war zum Zeitpunkt des Bombenanschlags in einer Seitenstraße keine drei Gehminuten vom Unglücksort entfernt. „Ich habe mich gerade umgezogen, als ich zwei laute Kracher gehört habe. Zunächst dachte ich an ein Feuerwerk.“ Im nächsten Augenblick habe Ausnahmezustand geherrscht. „Die Leute sind panisch herumgelaufen, haben nur noch geschrien und die meisten hatten ein Handy an ihr Ohr gepresst.“ Nicht minder schnell rasten Heerscharen von Krankenwagen und Polizeiautos heran. Glätzle, der ein halbe Stunde vor dem Bomben-Attentat seinen 33. Marathon in 3:37 Stunden beendet hatte, wusste nicht so recht, was da gerade geschehen war. „Ich habe von niemanden eine Antwort erhalten, aber es war schnell klar, dass etwas Schlimmes passiert sein musste.“
Erst nach und nach drang die Nachricht von einem Bombenattentat zum 62-jährigen durch. Und weil sich seine Gattin Kornelia noch im unmittelbaren Zielbereich befand, war die Erleichterung groß, als er sie wohlauf am Handy zu hören bekam. „Ich wollte gleich zu ihr, aber es gab kein Durchkommen mehr. Alles war hermetisch abgesperrt. Unfassbar, wie schnell das alles ging. Erst eine Stunde später haben wir uns dann im Hotel gesehen.“ Kurz darauf seien dann die mobilen Funknetze zwischenzeitlich lahmgelegt worden. „Aus Sorge, dass über ein Handy weitere Bomben gezündet werden könnten“, sollte Glätzle später in Erfahrung bringen.
Krankenhaus wurde für Besucher gesperrt
„Das Krankenhaus wurde für Besucher vorübergehend gesperrt“, erzählt Johannes Zipperle. Nur mehr enge Angehörige der Opfer durften ins Gebäude. Die Polizei sicherte die Eingänge. Das und die Tatsache, dass sich auf Facebook und in den Medien zunächst das Gerücht verbreitet hatte, dass in Boston weitere Sprengstoffe gefunden worden seien, verunsicherte den Fulpmerer und seine Arbeitskollegin. „Wir blieben zwar im Labor, aber es war schwer sich zu konzentrieren. So informierten wir uns über die Medien über die weiteren Entwicklungen.“ Zuhause setzte sich Zipperle dann mit seinen Mitbewohnern zusammen. „Schlafen war nicht möglich. Immer wieder tauchten Bilder der Attentats vor unseren Augen auf.“
Im Minutentakt meldeten sich besorgte Freunde
Geschlafen hat auch das Ehepaar Glätzle denkbar schlecht. Es verbrachte den Abend auf Anraten der Polizei im Hotel. „Um vier Uhr morgens waren wir wieder wach.“ Auch weil sich im Minutentakt besorgte Freunde aus der Heimat meldeten.
Am Tag danach sitzt der Schock noch tief in den Knochen. Josef Glätzle steht mit seiner Gattin Kornelia vor dem Sheraton-Hotel in Boston und blickt ungläubig in die menschenleeren Straßenschluchten. Dort, wo gewöhnlich hektisches Treiben den Stadttakt angibt, herrscht gespenstische Stille. Lediglich die Blaulicht-Sirenen der Polizeikolonnen unterbrechen wiederholt die bedrohliche Ruhe. „Wir sind alle fassungslos und können nicht wahrhaben, was da gestern passiert ist. In den Nachrichten erfährt man immer wieder von weiteren grauslichen Details. Einfach tragisch. Wir sind nur froh, wenn wir heute nach Hause fliegen können.“
Die Stadt ist angespannt
Johannes Zipperle wird noch mindestens zehn Monate bleiben. „Angst habe ich keine. Ich bin etwas nervöser, angespannter als sonst. Das ist das Gefühl, das die ganze Stadt im Augenblick hat. Viele Leute sind außerdem verärgert darüber, dass unschuldige Menschen auf einer friedlichen, sportlichen, Veranstaltung, die nichts mit Politik oder Religion zu tun hat, Opfer eines feigen Attentats geworden sind.“
Überlegt seinen Aufenthalt abzubrechen, habe er dennoch keine Sekunde. „Ich denke da wie die meisten Bostoner: Das Leben muss weitergehen, sonst bekommen die Terroristen genau das, was sie wollen.“