Gesundheit

Geheimnis einer guten Nacht

Schlaf ist eine überlebenswichtige Ruhephase. Schlafmangel kann nicht nur Gene verändern, sondern auch das Risiko für Fettleibigkeit oder Bluthochdruck erhöhen.

Von Nicole Unger

Innsbruck –Der Dienst der jungen Tirolerin, die lieber anonym bleiben möchte, beginnt um 6 Uhr nachmittags und endet teilweise erst um 5 Uhr Früh. Die Nachtarbeit sei anstrengend, erzählt sie. Wobei nicht unbedingt das Aufbleiben Probleme bereite, sondern viel eher das Einschlafen. Auch wenn sie erst um fünf ins Bett geht, sei sie spätestens um 12 Uhr mittags wieder munter. Die Frau lebt in einem Mehrparteienhaus und hört dort alle Geräusche, die der Tag mit sich bringt. Türenklappern, Stimmen im Gang, den Baustellenlärm. An Schlaf sei dabei kaum zu denken. Einmal musste sie sogar für mehrere Tage ins Krankenhaus, weil ihr Körper nicht mehr konnte.

„Dauerhaft kann Schlafmangel fatale Folgen haben“, sagt Birgit Högl, leitende Ärztin des Schlaflabors der Uniklinik für Neurologie in Innsbruck. Aber warum muss der Mensch eigentlich so viel schlafen? Ist das nicht reine Zeitverschwendung? „Keineswegs, ohne Schlaf kann nicht nur das Immunsystem, sondern auch das Gehirn nicht richtig funktionieren, es finden notwendige regenerierende Prozesse im Körper statt“, antwortet Högl. Der Schlaf sei eine physische und psychische Reset-Taste. „Man weiß, dass bei Menschen, die zu wenig schlafen, bestimmte Gene, die für den Stoffwechsel wichtig sind, gestört werden“, weiß die Neurologin. Personen, die sich langjährigem Schlafmangel aussetzen, würden eher an Fettleibigkeit, Diabetes, Herzerkrankungen, Schlaganfall und Bluthochdruck erkranken.

Beweise dafür liefern zahlreiche Studien. Wissenschafter ließen etwa gesunde junge Leute einen Tag lang nicht schlafen und bestimmten hinterher ihren Blutzucker. Die Werte der Probanden ähnelten am Ende jenen von älteren Menschen mit beginnendem Diabetes. Für eine weitere Studie ließen Forscher Menschen, die nicht geschlafen hatten, von einem Frühstücksbuffet auswählen. Die Teilnehmer nahmen bis zu 1000 Kalorien mehr zu sich als sonst. „Der Bedarf nach Hochkalorischem wächst durch den Schlafmangel. Hormone, die den Appetit regulieren sind komplett durcheinander“, erklärt Högl.

Wer in 20, 30 Jahren auch noch fit sein möchte, solle daher vor vielen anderen Dingen auf einen guten Schlaf achten. Männern empfehlen Schlafgesellschaften sieben bis acht Stunden Schlaf, Frauen acht bis neun Stunden. Auf dieses Pensum würden nur wenige kommen. Eine Umfrage der Österreichischen Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung unter 1000 Österreichern ergab, dass die Hälfte der Befragten unter sieben Stunden schläft.

Nacht- oder Schichtarbeit, wie eingangs geschildert, kann ein Grund für Schlafprobleme sein. „Diese Arbeitsweise ist tatsächlich eine große Belastung“, bestätigt die Ärztin. Auf der einen Seite rauben einem die Lärmquellen des Tagesgeschehens den Schlaf, auf der anderen Seite wird das lebensnotwendige Schlafhormon Melatonin nur ausgeschüttet, wenn es komplett dunkel ist.

Nachtarbeit, Lichtquellen, das Klima, störende Geräusche – das alles können Faktoren sein, die zu Schlafstörungen führen können. „Die Schlafmedizin kennt mehr als 90 verschiedene schlafmedizinische Krankheiten“, berichtet Högl. Bei Schlaflosigkeit können verschiedene körperliche Erkrankungen, aber auch häufig psychische Ursachen dahinterstecken. Bei akuten Belastungssituationen, wie Scheidung oder Job­ärger, kann es zu vorübergehenden Problemen kommen. Dauern die Schlafschwierigkeiten länger als drei Monate an, sprechen Ärzte von einer chronischen Schlaflosigkeit (Insomnie).

„Es gibt eine Sorte von Schlafstörungen, bei denen sich Betroffene bereits untertags Sorgen über den Schlaf machen und so gar nicht mehr schlafen können. Viele haben Angst, das Schlafzimmer zu betreten, weil sie sich an die „Horrornächte“ erinnern“, schildert Högl. Nachts liegt man wach und das Gedankenkarussell kreist. Oder man wacht morgens früh auf – häufig in der Zeit zwischen zwei und drei Uhr, weil um diese Zeit Stresshormone ausgeschüttet werden – und wälzt sich hin und her.

Dass man aber auf Befehl nicht wieder einschlafen kann, beweist folgende Studie: US-Wissenschafter baten junge Menschen mit einem gesunden Schlaf auf Kommando zu schlafen, dann würden sie eine finanzielle Belohnung bekommen. Fazit: Keiner der Probanden tat ein Auge zu.

Neben der Insomnie können aber auch andere Gründe Auslöser einer Schlafstörung sein. Atemaussetzer (z. B. durch Schnarchen), Tagesschläfrigkeiten (Betroffene können aber tagsüber nicht wach bleiben), Störungen der inneren Uhr, Bewegungsstörungen (z. B. Zähneknirschen, Restless-Leg-Syndrom).

Betroffenen kann geholfen werden, sagt Högl. Wichtig ist eine genaue Abklärung der Ursache. Medikamente müssen nicht immer zum Einsatz kommen. In sehr vielen Fällen könne man richtiges Schlafen wieder erlernen. Die Universitätskliniken für Neurologie und medizinische Psychologie Innsbruck bieten hierfür spezielle Kurse an.

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