Fünf Wege in eine Katastrophe
Ernst Gossners Episodenfilm „South of Pico“ kommt mit einiger Verspätung ins Kino.
Innsbruck –Im Video zum Massive-Attack-Hit „Unfinished Sympathy“ (1991) folgt die vom vielfach ausgezeichneten Kameramann John Mathieson („Gladiator“) geführte Kamera der Sängerin Shara Nelson auf ihrem Weg am Rande des Pico-Boulevards. Gezeigt wird das, was man heutzutage gern einen „Problembezirk“ nennt, heruntergekommene Geschäfte, dunkel dreinschauende Gestalten, Jugendgangs, die mit ihrem Gewaltpotenzial kokettieren.
Auch der erste Spielfilm des Tiroler Filmemachers Ernst Gossner spielt am Pico-Boulevard. Die Straße, die die Pazifikküste mit der mondänen Innenstadt von Los Angeles verbindet, gibt „South of Pico“ sogar den Namen. Der Boulevard ist eine Grenze: Hier die glänzende Oberfläche der Showbiz-Metropole, dort die Fortschrittsverlierer, hier das internationale Großkapital, dort der soziale Brennpunkt.
Diese Spannung bildet den Hintergrund für Gossners verschachtelt erzählten Ensemble-Film, der bereits vor sechs Jahren beim Internationalen Film Festival Innsbruck den Publikumspreis erhielt und bei der Grazer Diagonale die Auszeichnung für das beste Drehbuch einheimste. Jetzt kommt „South of Pico“ – mit einiger Verspätung – regulär in die österreichischen Kinos.
Im Zentrum des Films steht ein tragischer Autounfall. Fünf Menschen, ein Limofahrer (Kip Pardue), eine Kellnerin (Gina Torres), ein Arzt (Henry Simmons), ein Migrant (Giovanni Lopes) und ein kleiner Junge (Soren Fulton) sind mehr oder weniger beteiligte Beobachter.
In einem Puzzle aus Rückblenden wird der Weg in die Katastrophe, die zum Ventil für den ganz alltäglichen Frust aller Beteiligen wird und sie eine brüchige Schicksalsgemeinschaft werden lässt, nachvollzogen. Weil Gossner sich die Zeit nimmt, um die verschiedenen Milieus, denen seine Protagonisten entstammen, zu schildern, entwirft „South of Pico“ das zwar fragmentarische, aber auch beklemmende Bild einer zutiefst widersprüchlichen Gesellschaft.
(jole)