Bauern verteidigen jeden Grashalm
Für den ehemaligen EU-Agrarkommissar Franz Fischler muss das Bewertungssystem für die Weideflächen rasch reformiert werden. Die Stimmung unter den Bauern ist mehr als gereizt, der VP-Bauernbund alarmiert.
Von Peter Nindler
Innsbruck –Bis 28. Juni müssen Tirols Bauern die Größe ihrer Almweideflächen nach Brüssel melden. „Wir hätten aber nicht gedacht, dass so große Abweichungen bei den Bildschirmkontrollen der Agrarmarkt Austria/AMA auftreten“, sagt Landwirtschaftskammerpräsident Josef Hechenberger. Doch die gibt es bei 1300 der 1500 kontrollierten Almen. Jetzt brennt der Hut, weil 10.000 betroffene Bauern rückwirkend bis 2007 die zu viel bezogenen Almförderungen zurückzahlen müssen und hohe Strafen berappen müssen. Und das, obwohl nicht sie die Futterflächen auf den Almen eingestuft haben. Das haben die Berater der Bezirkskammern gemeinsam mit den Almpächtern oder -besitzern gemacht. Im Auftrag der AMA. Aber die AMA stößt sich jetzt massiv daran. Aus ihrer Sicht wurde zu viel Futterfläche angegeben. Seit Tagen tobt deshalb ein heftiger Streit mit der Bauernkammer. Gleichzeitig drohen die Bauern mit Protestmaßnahmen. Sie beginnen sich zu formieren, die in Kärnten gegründete Plattform „Almfutterflächen“ wird auch in Tirol aktiv. Ein Alarmsignal für den VP-Bauernbund wenige Tage vor der Landtagswahl.
Die Almbauern verteidigen jeden Grashalm, schließlich drohen Rückzahlungen von bis zu 25.000 Euro. Doch auch der am Dienstag als Leiter der Expertengruppe eingesetzte Ex-Agrarkommissar Franz Fischler ist kein Wunderwuzzi. Vielmehr zeichnet er ein differenziertes Bild. Es gebe einige Problemstellungen, eine davon seien die Waldweiden. „Sie sind keine Futterflächen“, stellt Fischler klar und trifft damit den Nerv der Interessenvertreter. Denn teilweise dürften die Abweichungen darauf zurückzuführen sein.
Für Fischler ist das Bewertungssystem ohnehin rasch zu reformieren, „ab der neuen Förderperiode 2014 benötigt es ein automatisiertes System“. Der jetzigen Einstufungsmethode kann er wenig abgewinnen, weil es einfach rückständig sei. Er selbst möchte einen Stufenplan ausarbeiten, nach dem die betroffenen Almen, „die ja unterschiedliche Voraussetzungen aufweisen“, bis Juni bewertet werden.
Der Obmann des Almwirtschaftsvereins, Josef Lanzinger, rechnet sich indessen gute Chancen bei den Einsprüchen der zuletzt ergangenen Bescheide aus. „Denn die ursprünglichen Futterflächen, die man jetzt massiv nach unten korrigiert hat, wurden seinerzeit von der AMA akzeptiert.“ Die Änderung der Bewertungskriterien während der Förderperiode dürfte nicht zu Sanktionen und zu Rückzahlungen führen.
Trotzdem. „Die Stimmung unter den Bauern ist gedrückt“, berichtet Bauernbunddirektor Peter Raggl. Bei Rückzahlungen würden Hunderte aufgeben. Der Zorn richte sich vor allem gegen Wien. Doch die Angst geht um, dass sich diese Richtung ändert und plötzlich Kammer, Bauernbund und die Tiroler ÖVP ins Schussfeld geraten.