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Drogen-Substitution: Dressel - Schärfste Kritik an Innenressort

„Von einer Überschwemmung des Marktes kann keine Rede sein“ - Kritik von BK-Chef Lang „nicht nachvollziehbar“.

Wien - Die Reaktionen von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und ihres Ressorts auf die Pressekonferenz österreichischer Drogenexperten zur Substitutionstherapie führten auf Seite des Wiener Drogenkoordinators Michael Dressel Mittwochnachmittag zu einer weiteren heftigen Stellungnahme: „Natürlich können sich alle über alles Gedanken machen. Es macht aber wenig Sinn, wenn immer wieder von Stellen, die für die Behandlung von Suchtkranken weder zuständig sind, noch über die notwendigen fachlichen Informationen verfügen, halbe Wahrheiten kommuniziert werden.“

Dressel weiter: „Wer beispielsweise sagt, dass in Österreich mehr Morphine angewendet werden als anderswo, der muss auch dazu sagen, dass Österreich seit Jahren ohne Heroin-Ersatzprogramme und ohne Konsumräume auskommt. Außerdem steht der Einsatz von Morphinen in anderen Ländern kurz bevor. Die Aussage, dass es ausgerechnet in jenen Ländern, die keine Morphine verwenden, bessere Behandlungsergebnisse gibt, kann nur auf mangelnder Fachkenntnis beruhen. Das ist schlicht und einfach falsch. Genauso falsch ist, dass die drogentherapeutischen ‚Erfolgsquoten‘ in Vorarlberg höher sind als in Wien. So etwas zu behaupten ist unseriös.“

Erfreulich sei, dass das Innenministerium seine Meinung geändert hat und nun nicht mehr grundsätzlich gegen die unbestritten sinnvolle und erfolgreiche Behandlung mit Substitutionsmitteln auftrete, so der Wiener Drogenkoordinator. Die Entscheidung, welches Medikament welcher Patient bekommt, sei eine ausschließlich medizinische Angelegenheit.

Aufzuräumen sei auch mit dem Mythos, dass es deswegen mehr Morphine auf dem Schwarzmarkt gebe, weil sie für Suchtkranke so attraktiv seien. Dressel: „Faktum ist, in allen Ländern prävaliert auf dem Schwarzmarkt jene Substanz, die auch am meisten eingesetzt wird: in Frankreich ist es Buprenorphin, in Deutschland ist es Methadon und in Österreich sind es Morphine - weil sie österreichweit am meisten eingesetzt werden. Ein missbräuchlicher intravenöser Konsum ist auch mit anderen Substanzen möglich.

Wien vorzuwerfen, die Augen vor dem Problem zu verschließen, dass Substitutionsmittel auf dem Schwarzmarkt landen, sei schärfstens zurückzuweisen. Man habe gemeinsame Projekte mit der Wiener Polizei ins Leben gerufen. Dabei würden seit 2009 gezielte Maßnahmen zur Verhinderung des Missbrauchs von Substitutionsmitteln umgesetzt.

Der Drogenkoordinator: „Erkennt die Polizei die missbräuchliche Verwendung (Handel) von Substitutionsmitteln, erfolgt die Meldung an die Gesundheitsbehörde. Diese lädt umgehend die Betroffenen vor und führt sie - sofern diese sich noch nicht in Behandlung befinden - einer gesundheitsbezogenen Maßnahme zu.“ Dann könne es zu einer Änderung der Abgaberegelungen mit Einnahme unter Sichtkontrolle etc. kommen.

Heftige Kritik übte Dressel auch an BK-Chef Franz Lang: „General Lang würde gut daran tun, sich die vom Bundesministeriuim für Inneres selbst veröffentlichten Zahlen anzuschauen. Aus den BMI Zahlen ist zwar ein - im Rahmen des gemeinsamen Projektes - erfolgter Anstieg im Bereich suchtgifthaltige Medikamente zu verzeichnen. Dieser resultiert aber aus einem erhöhtem ‚Verfolgungsdruck‘ - wie das im Polizeijargon heißt - und nicht daraus, dass der Anteil der Morphine auf dem Schwarzmarkt gestiegen ist! Dieses ist nämlich laut BMI Daten nicht zu erkennen. Lang soll selber nachrechnen: rund 0,1 Prozent sichergestellte suchtgifthaltige Medikamente sind ein Faktum. Auch dass die Polizei einzelne Großaufgriffe macht - zu diesem Erfolg ist zu gratulieren -, ändert nichts an der insgesamt geringen sichergestellten Menge.“

Der Wiener Drogenkoordinator weiter: „Pro Tag werden in ganz Österreich - konservativ gerechnet - mindestens rund 18.000 Stück Kapseln bzw. Tabletten Morphine abgegeben, das sind in zwei Jahren rund 13,140.000 Stück. Wenn die Polizei also 5.000 Stück sicherstellt, die im Laufe von zwei Jahren von einem Täter auf den Schwarzmarkt gebracht werden, so sind das gerade mal 0,038 Prozent.“ (APA)

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