Natur

Wenn der Gestank für Stunk sorgt

Der Bauer düngt das Feld, daneben hängt sein Nachbar die Wäsche auf – und schon bricht ein tüchtiger Streit aus. Beim Thema Düngen scheiden sich die Geister. Die TT hat bei Experten nachgefragt.

Von Kathrin Siller

Innsbruck –Frühlingszeit ist Stinkezeit in Tirol. Wenn die Bauern ihre Felder düngen, liegt an manchen Tagen ein gewöhnungsbedürftiger Geruch über dem Land. Über den Mief rümpfen viele Tiroler die Nase. „Ich kann seit Wochen keine Wäsche mehr draußen aufhängen!“ oder „Das ist ja zum Kotzen!“ sind da noch die harmlosesten Klagen. Auch in der TT-Leserbriefredaktion gingen zahlreiche Reaktionen ein – von Anrainern, die den Landwirten Boshaftigkeit unterstellen, bis zu Bauern, die über die Kritiker den Kopf schütteln.

1Warum düngen Bauern ihre Felder überhaupt? Das Düngen ist Teil eines landwirtschaftlichen Kreislaufs. „Der Bauer nimmt dem Feld beim Ernten bestimmte Nährstoffe ab und muss diese Nährstoffe eben wieder zuführen“, schildert Landwirtschaftskammerpräsident Josef Hechenberger. Immerhin scheidet ein Tier 90 bis 95 Prozent aller Nährstoffe, die es aufnimmt, wieder aus.

2Wird heute häufiger gedüngt als früher? Gerade Menschen, die auf dem Land wohnen, haben den Eindruck, dass heute öfter Mist verteilt wird als früher. „Das stimmt“, bestätigt Rainhard Egger, Referent für Ackerbau und Düngung in der Tiroler Landwirtschaftskammer. „Es wird drei- bis fünfmal jährlich gedüngt, dafür aber mit kleineren Mengen.“ Die Böden können die Nährstoffe so nämlich besser aufnehmen.

3 Wie viel Mist und Gülle landen auf den Feldern? Die Nitratverordnung sieht vor, dass 170 Kilogramm Stickstoff aus Wirtschaftsdünger pro Hektar und Jahr ausgebracht werden dürfen. Das entspricht dem Mist von zwei Kühen pro Hektar. „Damit soll garantiert werden, dass Gewässer nicht durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen verunreinigt werden“, präzisiert Egger.

Bauern müssten genaue Aufzeichnungen über die Menge und den Zeitpunkt ihrer Düngungen führen und werden von der Agrarmarkt Austria kontrolliert. Auf geneigten Flächen und in Uferrandzonen darf zum Beispiel nicht gedüngt werden.

4Wann darf gedüngt werden? Strenge Vorschriften gelten auch für die Monate, in denen gedüngt werden darf: „Von 30. November bis 28. Feber ist es verboten, von 1. März bis 29. November steht es den Bauern frei“, fasst Hechenberger zusammen.

5Warum wird oft am Wochenende gedüngt? Der Geruchsproblematik ist sich Egger bewusst. „Landwirtschaftlich genutzte Flächen und Wohnraum rücken immer näher zusammen – ein Spannungsfeld. Und es gibt auch Bauern, die sich über Bauern ärgern“, räumt der Experte ein. Er gibt allerdings zu bedenken: In Tirol haben 80 Prozent der Landwirte einen geregelten Job, ihnen bleibe nichts anderes übrig, als am Wochenende oder abends ihre Felder zu düngen.

6Warum stinken gedüngte Äcker und Wiesen denn so? Was als Gestank in die Luft entweicht, ist vor allem Stickstoff in Form von Ammoniak. Bei spezialisierten Gemüsebetrieben entfällt die Geruchsproblematik zum Beispiel, weil sie geruchlosen Mineraldünger verwenden.

Aber: Es sei im Interesse der Landwirtschaft, Geruch zu vermeiden, da Ausdünstungen auf einen Nährstoffverlust schließen lassen. Deshalb sei es ratsam, nicht bei großer Hitze zu düngen und am besten vor einem leichten Regen. „Es gibt diverse Zusätze, die weniger Abgasungsverluste, also weniger Gestank, versprechen, aber die Kosten-Nutzen-Rechnung ist zweifelhaft“, sagt Egger.

7Nutzen die Bauern die Felder als Entsorgungsmöglichkeit von Mist und Gülle? Um eine Entsorgung geht es dabei nicht. „Der Mist ist ein wertvolles Kapital für den Bauern und kein Abfallprodukt“, wehrt sich Hechenberger und verweist auf die strengen Mengenvorschriften in der Nitratverordnung.

8Was macht das Düngen mit der Artenvielfalt auf den Wiesen? Pflanzenfreunde wie die Botanikerin Susanne Wallnöfer sorgen sich, weil auf stark bewirtschafteten Wiesen viele Pflanzen- und Tierarten verschwunden sind. Auf nährstoffreichen Fettwiesen wachsen nur 50 bis 70 Arten, auf nicht gedüngten oder gemähten Magerwiesen bis zu 300. „Laut der ‚Roten Liste der gefährdeten Gefäßpflanzen Südtirols‘ ist die Hauptursache für die Gefährdung von bestimmten Wiesenpflanzen in der Düngung zu suchen“, sagt Wallnöfer.

Auch Egger will bei diesem Thema nichts beschönigen: „Die Vielfalt der Pflanzen sinkt mit dem Intensivieren der Landwirtschaft. Glockenblumen und Margeriten etwa sind nicht vielschnittverträglich und auf intensiv genutzten Flächen kaum zu finden.“ Ein Preis, den wir für Lebensmittel aus der Region aber wohl zahlen müssen.

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