Bühne

Eheliche Trennlinie, blutrot

Luigi Cherubinis musikalisches Schicksalsdrama „Medea“ feierte in halbszenischer Einrichtung mit Zwischentexten am Tiroler Landestheater Premiere.

Von Ursula Strohal

Innsbruck –Der Entschluss, Cherubinis „Medea“ (im Original „Médée“) auf den Spielplan zu setzen, ist nicht nur eine Frage der – musikalischen – Fassung: Zeigt man diese folgenreiche und noch immer erregende Oper um die antike Ehetragödie in historisierendem Pathos, in einer absolut zu rechtfertigenden integralen Interpretation auf der Höhe unserer Zeit, oder gar nicht, indem man sie ausschließlich musikalisch präsentiert? Der Kompromiss am Tiroler Landestheater heißt: halbszenisch.

Nun hat sich in der Ära Fassbaender, als das Publikum die Vorzüge optischer Abstinenz schätzen lernte, die konzertante Opernform zu einer halbszenischen entwickelt und diese wiederum relative Gültigkeit erreicht. Bei „Medea“ ergab sich nun, dass man mit der teils statischen, teils interpretierenden „Halbinzenierung“ Uwe Drechsels zufrieden schien – weil sie doch ein bisschen visualisierte, mehr aber noch, weil sie in diesem Stil nicht zur Gänze ausgearbeitet war. Ausstattungsleiter Michael D. Zimmermann baute ein vollwertiges Bühnenbild mit Treppen, Ausschnitten und einer blutroten ehelichen Trennlinie. Seine Kostüme sind von üppiger Pracht mit antiken, Jugendstil- und symbolischen Anklängen. Auch Lichtgestalter Johann Kleinheinz durfte ganze Arbeit leisten. Dennoch: Damit man den Teil nicht fürs Ganze nimmt, tritt der von Michel Roberge hervorragend studierte Chor mit seinen Notenbüchern auf.

Die vom Gatten betrogene, verlassene Frau und Mutter, in der Fremde ausgegrenzt: welche Aktualität des Stoffes, dessen Mechanismen durch Jahrtausende gehen. Anspruch, Tiefenschärfe und Präzision liegen in Händen des Orchesterchefs Christoph Altstaedt, der die stilistische Vielseitigkeit des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck im Wechsel von orchestraler Vehemenz und vielfarbiger Emotion nützt. Die Partitur reicht von klassizistischer Erhabenheit bis in die Frühromantik. Da schickt Glucks Opernreform ihr Echo, aber Cherubini komponiert schon erbarmungslos konsequent bezüglich seiner Charaktere. Aus der Bläser­lastigkeit ragten die ausgedehnten, vorzüglichen Soli von Flöte und Fagott.

Gespielt wird „Medea“ in der italienischen Fassung mit deutschen Untertiteln. In Anlehnung an die originale Form mit gesprochenen Dialogen spricht der Schauspieler Kris­toffer Nowak – und findet den Ton dafür – Zwischentexte von Hermann Beil, die Handlung sowie innere und äußere Beweggründe markierend.

Medea ist Barbara Schneider-Hofstetter, die an großen Bühnen gastiert und 2011 in Innsbruck als Elektra auftrat. Sie ist hörbar auf das deutsche Fach fokussiert, legt die Gestalt der Medea mit Nachdruck heroisch-hoch­dramatisch an, erreicht technisch, was sie anstrebt, irritiert aber zunehmend durch ihren Atemstau. Eine riskante Technik. Paulo Ferreira ist ein Giasone (Jason), der dieser Frau auf gleicher Ebene, mit Attacke begegnen kann und bei der Premiere am Samstag zunehmend schönen Tenor­glanz einbrachte. Adréana Kraschewski geht die Partie der Glauce, die sich hauptsächlich in einer anspruchsvollen Eingangsarie abspielt, mit fähigem Sopran an, dem sie aber zulasten der Intonation zu viel zumutet. Edel und männlich Michael Bachtadzes Korintherkönig Creonte, von auffallender Stimmschönheit die Neris der Yanyu Guo. Die Mägde singen Su-Jin Kim und Saiko Kawano.

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