Interview

Experte fürchtet neue Kriege um Energie

Der deutsche Energieexperte und Ex-Spitzenpolitiker Friedbert Pflüger über neue Konfliktherde, den Preis der grünen Energie und die größere Rolle, die Tirol mit Wasserkraftwerken international spielen könnte.

Herr Professor Pflüger, immer mehr Bürger stöhnen unter hohen Energiepreisen. Sind grüne Energie und Nachhaltigkeit im Energiebereich tatsächlich bezahlbar?

Friedbert Pflüger: Ökoenergie kann nur weiterhin finanziert werden, solange Europa wettbewerbsfähig bleibt. Ursprünglich war es die starke europäische Wirtschaft, die das notwendige Kapital für den Aufbau der Industrie für erneuerbare Energien in den letzten zehn Jahren lieferte. Ohne diese finanzielle Unterstützung wird es uns in Zukunft nicht möglich sein, weiterhin in diesem Bereich zu forschen und somit an der Speerspitze der Entwicklung der erneuerbaren Energien zu sein.

Stichwort Energiewende: Wo sehen Sie die bestimmenden Energie-Trends in Europa in den kommenden Jahren?

Pflüger: Es gibt einen besorgniserregenden Trend am Energiemarkt: Die immer fortschreitende Regulierung wird unsere Wettbewerbsfähigkeit einschränken. Wir erleben schon jetzt eine Abwanderungswelle von Europäischer Industrie hin zu freundlicheren Märkten wie beispielsweise die USA – auch wegen der fortschreitenden Regulierung. Dieser Trend muss umgekehrt werden, damit wir unsere Klimaziele wirklich erreichen können.

In welche Richtung geht der Kampf um Rohstoffe weltweit? Welche Rolle werden Staaten wie China, aber auch Länder im Mittleren Osten hier künftig spielen?

Pflüger: Es ist klar, dass aufgrund der Verknappung der globalen Energiereserven die Wahrscheinlichkeit von zwischenstaatlichen Konflikten, Imperialismus und sogar Krieg in der Zukunft deutlich zunehmen wird. China versucht aktiv, sich die weltweiten Energieressourcen zu sichern. Analysten gehen davon aus, dass das Land 2015 ungefähr drei Millionen Barrel Öl pro Tag außerhalb Chinas produzieren wird. Gleichzeitig drosselt China, welches 97 Prozent des Marktanteils seltener Erden kontrolliert, den Export.

Allerdings deuten jüngste Entwicklungen in den USA darauf hin, dass die dominante Stellung der Energieproduktion im Mittleren Osten langsam abnimmt. Zum ersten Mal entwickelt sich ein westliches Land und enger Verbündeter Europas zu einem der wichtigsten Energieproduzenten weltweit. Dies schwächt natürlich die dominierende Position der OPEC-Länder, die diese jahrelang genossen haben.

Andererseits wirft dies interessante Fragen auf: Sind die USA weiterhin bereit, die zentralen Energietransportwege wie die Straße von Hormus (Meerenge im Süden des Iran, Anm.) abzusichern, durch welche ungefähr 20 Prozent des weltweiten Ölexports fließt? Inwieweit will und sollte Europa eingreifen, um die eigenen Energie­interessen abzusichern?

In Österreich – insbesondere in Tirol – soll ja der Ausbau der Wasserkraft vorangetrieben werden. Welche Rolle wird die Wasserkraft künftig bei der Energieversorgung in der EU spielen?

Pflüger: Wasserkraft wird weiterhin eine wichtige Rolle in Europa spielen, besonders durch Integration anderer erneuerbaren Energiequellen sowie durch Bereitstellung von Reserven, Lagerungs- und Ausgleichskapazitäten für das europäische Stromnetz. Nach wie vor hat Wasserkraft ein ungenutztes Potenzial in der Entwicklung neuer, kleiner Wasser- und Pumpspeicherkraftwerke und im Ausbau alter Anlagen. Die Effizienz bestehender Kraftwerke kann gesteigert werden, sodass ihre ökologische Bilanz verbessert wird.

Besonders kleine Wasserkraftanlagen, wie die in Tirol, haben das Potenzial, einen größeren Beitrag zur zukünftigen Energiegewinnung zu leisten. Wie auch bei anderen Energiegewinnungstechnologien müssen allerdings die Effizienz verbessert, die Kosten und Umweltauswirkungen reduziert und regulatorische Fragen geklärt werden.

Das Gespräch führte Nina Werlberger

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