Josef Meinrad

„Die Inkarnation des Österreichischen“

„Jahrhundertschauspieler“ und „Parade-Wiener“: Heute vor hundert Jahren wurde Publikumsliebling Josef Meinrad geboren.

Wien –Keiner prägte den Nestroy-Stil des Wiener Burgtheaters so wie jener „Jahrhundertschauspieler“, als den ihn Claus Peymann einst bezeichnet hatte: Josef Meinrad. Sein weites und oft widersprüchliches Rollenrepertoire, ebenso wie zahlreiche Filme, machten den am 18. Februar 1996 im Alter von 82 Jahren verstorbenen Kammerschauspieler und Träger des Iffland-Rings zu einem der beliebtesten und bekanntesten österreichischen Darsteller seiner Zeit. Heute jährt sich sein Geburtstag zum 100. Mal.

Für Schauspiellegende Werner Krauss war Meinrad „in der Einfachheit, Schlichtheit und Wahrhaftigkeit“ der Hauptanwärter auf den Iffland-Ring, den er ihm 1959 zur Überraschung vieler Kollegen vererbte. Immerhin die höchste Auszeichnung für einen deutschsprachigen Schauspieler. 1979 wurde Meinrad die Leitung des Burgtheaters angetragen, aber der Kammerschauspieler lehnte dankend ab. Meinrad genügte es, als einer der großen und überaus populären Menschendarsteller in die Theater- und Filmgeschichte einzugehen. Zu Unrecht wurde er oft auf den Nestroy- und Pfarrer-Bilderbuchtyp festgelegt. Natürlich sind seine Auftritte in der TV-Serie „Pater Brown“ in bleibender Erinnerung, natürlich war er der Superstar in Nestroys „Der Zerrissene“ oder „Das Mädl aus der Vorstadt“, aber ebenso prägte er Raimund- und Hofmannsthal-Inszenierungen durch sein farbiges Spiel. Er gab auf der Bühne auch den Teiresias in der „Antigone“ des Sophokles, Ibsens Peer Gynt, Molières eingebildeten Kranken, Tschechows Onkel Wanja, und Shakespeares Heinrich IV. Sein Debüt gab der am 21. April 1913 in Wien als Josef Moucka geborene Meinrad 1936 im politischen Kabarett ABC von Leon Askin, wo er mit zeit- und regimekritischen Texten auftrat.

Rechtzeitig hatte er erkannt, dass das ursprünglich angestrebte Priesteramt doch nicht der richtige Weg für ihn gewesen wäre. Neben Bürotätigkeiten in einer Lackfabrik nahm er Schauspielunterricht und stand erstmals 1940 in einem Hermann-Bahr-Stück auf der Burgtheater-Bühne. Laut eigenen Angaben legte er sich bereits zu Beginn seiner Zeit als Schauspielschüler den Künstlernamen Meinrad zu. Er befürchtete, sein richtiger Name sei nicht eingängig genug für eine Schauspielkarriere. Es folgten ein Engagement am Fronttheater Metz, wo er im Rollenfach „Naturbursche“ reüssierte, der Dienst beim Volkssturm und die französische Internierungshaft. Nach Kriegsende gelangte Meinrad nach Wien, trat 1947 ins Burgtheater ein und etablierte sich als Repräsentant österreichischer Kultur. Meinrad war „relativ unbeschädigt und makellos durch diese historisch und politisch bewegten Jahre gekommen“, schreibt Julia Danielczyk im gerade erschienenen Buch „Der ideale Österreicher“ (Mandelbaum Verlag, 250 Seiten, 24,90 Euro).

Beinahe so umfangreich wie sein Rollenrepertoire am Theater ist Meinrads Filmliste. Sie umfasst harmlose Lustspiele des typischen Nachkriegs­amüsements ebenso wie anspruchsvolle Literaturverfilmungen. Wolfgang Liebeneiner, Franz Antel, Kurt Meisel, Ernst Marischka und Willi Forst waren die Regisseure der Wien-Filme, in denen Meinrad meist als liebenswerter Charakter aus Sissis Epoche auftrat. Aber Meinrad stand auch für Orson Welles’ Kafka-Verfilmung „Der Prozess“ vor der Kamera und spielte in der internationalen Großproduktion „Der Kardinal“, die Hollywood-Legende Otto Preminger inszenierte.

Ab den 60er-Jahren agierte Meinrad auch in Fernsehfilmen. Er war ein früher Serien-Held, etwa in „Waldheimat“ oder im „Ringstraßenpalais“. Die deutsch-österreichische Aussteiger-Serie „Der Sonne entgegen“ war 1985 einer der größten Erfolge in der langen Karriere des großen Volksschauspielers, der es wie kein anderer verstanden hatte, hohe Kunst zur Unterhaltung zu machen. (APA)

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