Vitaminspritzen gegen die Politik-Verdrossenheit
Von „Photoshop Democracy“ à la Norbert Pleifer bis zur intermedialen Jagd nach Meinungen: Auch in diesem Wahlkampf darf gelacht – und nachgedacht werden.
Von Ivona Jelcic
Innsbruck –Das Grünmandl-Zitat „Politisch bin ich vielleicht ein Trottel, aber privat kenn’ ich mich aus“ hat im Innsbrucker Treibhaus einen Ehrenplatz. Und es ist kein Zufall, dass Norbert Pleifer die Erinnerung an seinen „väterlichen Freund“ Otto Gründmandl ausgerechnet mit diesem legendären Aperçu hochhält. Mischt Pleifer sich doch selbst seit Jahrzehnten mit hintergründigem Witz und erfrischendem Eigensinn ins politische Geschehen ein.
Im aktuellen Landtagswahlkampf ist keine einzige der wahlwerbenden Parteien vor Pleifers Blick für die im Schilderwald schlummernden Absurditäten und vor seiner poetischen Kreativität sicher. Vorerst im Internet, wo man sich auf der Facebook-Seite des Treibhaus-Chefs durch sein Album „Wahlplakate mit beschränkter Haftung“ klicken kann: Zu kreativen Höchstleistungen hat ihn etwa die Warnung der ÖVP vor „italienischen Verhältnissen“ angespornt. So ist Marlon Brando als „Der Pate“ Don Vito Corleone schon ganz „Wirr für Platter“. Dem FPÖ-Reim „Federspiel statt Drogendeal“ fügt der Kulturaktivist den Vers „Ich reim mich auch auf Eis am Stiel“ hinzu – samt Bildmaterial aus der feucht-fröhlichen Teenager-Komödie der 1970er Jahre.
Die Reaktionen seien „enorm“, sagt Pleifer zur TT. „Das ist der reine Wahnsinn, wohin sich das überall teilt und liked und was weiß i wie des heißt.“ Allein um die zahllosen E-Mails zu beantworten, müsste er „eigentlich jemanden anstellen“ – und ist nicht zuletzt deshalb „froh, dass der Wahlkampf bald vorbei ist“. (Viele der Plakate findet man hier: http://go.tt.com/11y5lOa )
Für derlei Aktivitäten findet man übrigens auch im New-Media-Jargon die passende Bezeichnung: Der US-Medienwissenschafter Henry Jenkins hat der kreativen Bearbeitung von Wahlplakaten oder Videos einen Namen gegeben. Und spricht in seinem Buch „Convergence Culture: Where Old and New Media Collide“ von 2006 von „Photoshop Democracy“: Diese Verbindung von Popkultur und Politik ermöglicht laut Jenkins eine Partizipation des vormals zur Passivität verdammten Publikums. Man könnte Pleifer – in Erinnerung etwa an seine legendären „Innschiffen“-Plakate von vor dreizehn Jahren oder an seine „Hildesheim“-Ortsschilder – durchaus als Tiroler Pionier solcher „Photoshop Democracy“ bezeichnen. Jedenfalls dürften seine Aktionen auch politikfernere Zeitgenossen auf die Wahlen aufmerksam machen und vielleicht sogar für Inhalte interessieren.
Heute Montag will Pleifer, wie schon bei den Gemeinderatswahlen 2012, mit einer Art Wahlempfehlung in den öffentlichen Raum hinaus: „Einen Hauch von Primavera. Lebendiges Chaos. Bitte. Mit Musik.“ steht auf den Plakaten auf schwarzem Grund über einem Haufen vitaminreicher Südfrüchte – „vor denen man uns ja warnt“, so Pleifer.
Das öffentliche Interesse intensivieren will auch der „Jagdclub“ mit seinem Polit-Talk heute Montag in der Kulturbackstube „die bäckerei“: Vertreter aller antretenden Parteien haben ihr Kommen zugesagt und können per Echtzeit-Voting vom Publikum vorübergehend „stumm geschaltet“ oder ganz aus der Sendung gewählt werden (Interview mit Moderator und Initiator Florian Rudig: http://go.tt.com/12BdtQr ). Mit einer ähnlichen Strategie ist – wohlgemerkt nach dem „Jagdclub“ – zuletzt auch Stefan Raab im deutschen Fernsehen angetreten. Bei ihm gibt es im Gegensatz zur Tiroler Version ein Preisgeld zu gewinnen. Die Plätze in der bäckerei sind trotzdem bereits ausgebucht – die Diskussion kann aber auch via Livestream ( www.jagdclub.tv ) verfolgt werden.
Über Kulturpolitik soll in der bäckerei schließlich kommenden Mittwoch nachgedacht werden: Kulturzeitschrift Mole, bäckerei, TKI und Freirad laden zur Podiumsdiskussion über den Wert zeitgenössischer Kunst und Kultur für die gesellschaftliche Entwicklung. 19.30 Uhr.