Historische Wiederwahl von Napolitano, Linke zerbröselt
Als erster italienischer Präsident ist Giorgo Napolitano am Samstag für eine zweite Amtszeit gewählt worden. Mitte-Links-Chef Pierluigi Bersani und das komplette Führungsgremium seiner Partei PD reichten indes den Rücktritt ein.
Rom - Der italienische Präsident Giorgio Napolitano ist am Samstag überraschend für eine zweite siebenjährige Amtszeit wiedergewählt worden. Der 87-jährige Ex-Kommunist erhielt im italienischen Parlament 738 Stimmen. In der republikanischen Geschichte Italiens war bisher noch kein Präsident ein zweites Mal gewählt worden.
Der alte und neue Staatschef wird am Montag um 17.00 Uhr vereidigt. Napolitano setzte sich durch, nachdem fünf Wahlgänge zur Wahl seines Nachfolgers ergebnislos geblieben waren. Dabei waren auch Schwergewichte aus dem Mitte-links-Blocks wie Ex-Senatspräsident Franco Marini und Ex-EU-Kommissionschef Romano Prodi gescheitert.
Napolitano hatte am Samstag überraschend seine Bereitschaft zu einer zweiten siebenjährigen Amtszeit signalisiert, nachdem ihn die stärksten politischen Kräfte aufgerufen hatten, im Interesse des Landes für ein zweites Mandat ins Rennen zu gehen. Napolitano, der bis dahin aus Altersgründen ein zweites Mandat entschieden ausgeschlossen hatte, änderte daraufhin seine Meinung und stimmte einer weiteren Amtszeit zu.
Proteste von Grillo-Anhängern
Hunderte Menschen, mehrheitlich Anhänger der Bewegung „Fünf Sterne“ um den Starkomiker Beppe Grillo, protestierten vor dem Parlament gegen Napolitanos Wiederwahl. „Ein Staatsstreich ist im Gange, um einen Wechsel in Italien zu verhindern. Die Parteien sind verzweifelt. Sie haben beschlossen, Napolitano als Präsidenten im Amt zu bestätigen“, protestierte Grillo am Samstag auf seiner Webseite. „Wir müssen in Rom Millionen sein. Ich bin auch auf dem Weg nach Rom. Entweder wir bauen die Demokratie auf, oder wir sterben alle“, schrieb Grillo.
Seine Aussagen lösten heftige Reaktionen aus. Seinen in Rom geplanten Auftritt auf der Piazza del Popolo sagte Grillo später ab. Am Sonntag bekräftigte Grillo seine Kritik an Napolitano. „Keine vernünftige Person würde einer zweiten siebenjährigen Amtszeit zustimmen“, sagte der Erfolgsblogger.
Bersani zieht Konsequenzen aus Wahldebakel
Nach Napolitanos Wiederwahl reichten Mitte-links-Chef Pierluigi Bersani und das komplette Führungsgremium seiner „Demokratischen Partei“ (PD), der stärksten Einzelgruppierung im italienischen Parlament, den Rücktritt ein. Bersani zog damit die Konsequenzen aus der Tatsache, dass etwa 100 linke Parlamentarier Prodi beim vierten Wahlgang am Freitag die Stimme verweigert hatten. „Jeder Vierte unter uns hat Verrat geübt“, erklärte der gescheiterte Parteichef.
Bersani hatte mit Prodi und Marini zwei Kandidaten ins Rennen um die Nachfolge Napolitanos geschickt, die beide die Mehrheit verfehlten. Zuvor war Bersani bei seinen Bemühungen um eine Regierungsbildung gescheitert. Prodis Pleite war die letzte Ohrfeige für den PD-Vorsitzenden.
Bersanis Rücktritt hat gravierenden Folgen für die Mitte-links-Allianz, die mit knapper Mehrheit die Parlamentswahlen im Februar gewonnen hatte. Die Linkspartei SEL scheidet aus dem Bündnis aus und geht ihren eigenen Weg in die Opposition.
Neue Konsultationen zu Regierungsbildung
Jetzt steht Napolitano vor einer großen Hürde. Er startet am Dienstag politische Konsultationen für die Bildung einer tragfähigen Regierung. Das Staatsoberhaupt, seit einem halben Jahrhundert Schwergewicht der italienischen Linken und erster ehemaliger KPI-Politiker an der Spitze des italienischen Staates, ist zuversichtlich. Die politische Situation hat sich in den letzten Tagen tiefgreifend geändert. Nach dem Rücktritt Bersanis, der sich unnachgiebig gegen eine große Koalition mit seinem Erzrivalen Silvio Berlusconi gewehrt hatte, könnte das Staatsoberhaupt den Auftrag für den Aufbau einer Mehrparteien-Regierung aus PD, Mitte-rechts-Allianz und dem Zentrumsblock um den scheidenden Premier Mario Monti erteilen.
Als mögliche Kandidaten für eine zeitlich befristete Regierung, die mit dem Auftrag antreten sollte, längst fällige Reformen im politischen und wirtschaftlichen Bereich über die Bühne zu bringen, kommen Ex-Premier Giuliano Amato und der stellvertretende PD-Chef Enrico Letta in Frage, heißt es in Rom. Der neuen Regierung könnte Indiskretionen zufolge auch der Chef von Berlusconis Partei „Volk der Freiheit“ (PdL), Angelino Alfano, beitreten.
Grundlage für das Regierungsprogramm wären die Vorschläge, die die von Napolitano beauftragte Weisengruppe verfasst hatte. Wahlrechtsreform, Maßnahmen zur Bekämpfung der Rezession und der Arbeitslosigkeit sowie Einschnitte bei den Kosten der Politik wären mögliche Schwerpunkte des neuen Regierungsprogramms. (APA)